60 Jahre BRD: 1959-1969:Adenauers Abschied, Brandts Aufstieg

Die sechziger Jahre sehen eine veritable Staatskrise, das Ende der Ära Adenauer und den Aufstieg der SPD zur Regierungspartei.

Bernd Oswald

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60 Jahre BRD Die sechziger Jahre in der Politik

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Nach fast zehn Jahren im Amt scheint Bundeskanzler Konrad Adenauer (2. von links) eine neue Herausforderung zu suchen: Im April 1959 gibt er bekannt, Theodor Heuss (FDP, 3. von links) als Bundespräsident nachfolgen zu wollen. Als Adenauer jedoch erkennen muss, dass der Bundespräsident nicht viel mehr als repräsentieren darf, ...

Von links nach rechts: Außenminister von Brentano (CDU), Bundeskanzler Adenauer, Bundespräsident Heuss und Wirtschaftsminister Erhard (CDU) beim Neujahrsempfang des Bundespräsidenten 1958 in der Villa Hammerschmidt.

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... besinnt er sich anders und überlässt seinem Landwirtschaftsminister Heinrich Lübke (CDU) das Feld. Lübke wird am 1. Juli 1959 in Berlin zum neuen Bundespräsidenten gewählt. Im zweiten Wahlgang erhielt Lübke die absolute Mehrheit.

Eintrittskarte zur Bundesversammlung 1959 in der West-Berliner Ostpreußen-Halle

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Lübke wird am 15.9.1959 in Bonn von Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier (rechts) als neuer Bundespräsident vereidigt. 1964 wird Lübke für eine zweite Amtszeit bestätigt.

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Die noch mit absoluter Mehrheit regierende CDU geht mit dem 85-jährigen Kanzler Adenauer in die Bundestagswahl 1961. Die FDP wirbt zwar im Wahlkampf mit "Nie mehr Adenauer". Nach der Wahl zeichnet sich jedoch die Bildung einer schwarz-gelben Regierung ab. Die Union beharrt auf Adenauer als Kanzler, die FDP gibt nach und handelt sich den Spitznamen "Umfaller-Partei" ein. Allerdings wählen die Liberalen Adenauer nur unter der Bedingung zum Kanzler, dass er 1963 abdankt. Der Mann aus Rhöndorf akzeptiert zähneknirschend und zürnt ob der "Erpressung". Die Kanzlerdämmerung beginnt.

Bundeskanzler Adenauer (r.) 1962 mit Bundestagsvizepräsident Thomas Dehler (FDP), der oft zu seinen schärfsten Kritikern zählte.

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Am 10. Oktober 1962 veröffentlicht das Nachrichtenmagazin Spiegel eine Titelgeschichte namens "Bedingt abwehrbereit", der das Verteidigungskonzept der Bundeswehr in Frage stellte: Die Vorbereitungen der Bundeswehr und zahlreicher staatlichter Dienststellen gegen einen potentiellen Angriff des Warschauer Pakts seien ungenügend. Das von CSU-Chef Franz Josef Strauß geleitete Verteidigungsministerium erwirkt die Festnahme von Spiegel-Herausgeber Augstein und der Chefredaktion sowie die Räumung der Redaktionsräume. Kanzler Adenauer spricht gar von einem "Abgrund von Landesverrat".

Die berühmteste Ausgabe des Nachrichtenmagazins Der Spiegel zeigt den damaligen Bundeswehr-Generalinspekteur Friedrich Foertsch.

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In den ersten Novemberwochen weitet sich die Spiegel-Affäre zu einer veritablen Regierungskrise aus. Verteidigungsminister Strauß, der zunächst beteuert hatte, mit der ganzen Aktion nichts zu tun zu haben, gerät im Laufe der Zeit immer stärker in Verdacht, genau über die Aktionen seines Ministeriums informiert gewesen zu sein. Beim Koalitionspartner FDP ist man erbost, dass ihr Justizminister Wolfgang Stammberger nicht informiert worden war. Am 19. November erklären die fünf FDP-Minister aus Protest gegen den Verteidigungsminister Strauß ihren Rücktritt. Am 30. November wirft schließlich Strauß, bis dahin ein potentieller Kanzler-Nachfolger, das Handtuch.

Verteidigungsminister Franz Josef Strauß in der Bundestagsdebatte über die Spiegel-Affäre

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In der Öffentlichkeit kommt es zu massiven Demonstrationen gegen das Vorgehen des Staates, das als massive Einschränkung der Pressefreiheit empfunden wurde. Die verhafteten Spiegel-Redakteure werden nach und nach aus der Untersuchungshaft entlassen, nach 103 Tagen auch Herausgeber Rudolf Augstein.

Am 13. Mai 1965 entscheidet der Bundesgerichtshof, dass es keine Beweise gebe, die einen wissentlichen Verrat von Staatsgeheimnissen durch Conrad Ahlers und Rudolf Augstein belegen würden. Die Spiegel-Affäre gilt bis heute als Synonym für den Sieg der Pressefreiheit.

300 Studenten bei einem Protestmarsch in München gegen das staatliche Vorgehen in der Spiegel-Affäre.

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Die Spiegel-Affäre ist noch frisch im Gedächtnis, als Bundeskanzler Adenauer (sitzend links) und Frankreichs Präsident Charles de Gaulle (sitzend rechts) am 22. Januar 1963 in Paris den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag unterzeichnen. Die früheren Erzfeinde wollen sich fortan in allen wichtigen Fragen der Außen-, Sicherheits-, Jugend- und Kulturpolitik konsultieren und regelmäßig auf Regierungsebene treffen.

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Gerade in der Außenpolitik sieht Adenauer große Defizite bei seinem Stellvertreter und Wirtschaftsminister Ludwig Erhard, der schon seit geraumer Zeit Ambitionen aufs Kanzleramt hegt. 1959 schimpft Erhard nach Adenauers Bundespräsidenten-Rückzieher: "Mit diesem Mann bin ich fertig." Zwei Jahre später, als die FDP Adenauer kippen will, fehlt Erhard der Mut: "Ich kann nicht Konny-Killer sein." Adenauer wiederholt im Mai 1963: "Ich spreche es nicht gerne aus, dass ich den Herrn Erhard für nicht geeignet halte."

Die Unionsfraktion sieht es anders, in einer Probeabstimmung erhält Erhard 159 Ja-Stimmen bei 19 Enthaltungen und 47 Nein-Stimmen. Am 16. Oktober 1963, einen Tag nach Adenauers Rücktritt, ist Erhard am Ziel: Der Bundestag wählt ihn zum zweiten Bundeskanzler.

Adenauer (rechts) und Erhard bei Adenauers Abschiedsbankett am 11.10.1963 im Palais Schaumburg in Bonn.

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Ludwig Erhard, der Vater des Wirtschaftswunders, ist als Wahlkampflokomotive erfolgreich: Bei der Bundestagswahl 1965 erreichen CDU und CSU 47,6 Prozent der Stimmen. Erhard bildete erneut eine Koalition mit den Liberalen.

Bundeskanzler Erhard gibt nach dem Sieg der Unionsparteien bei der Bundestagswahl am 19. September 1965 eine erste Erklärung ab.

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Erhards Führungskraft schwindet im Jahr 1966 jedoch rasant. Eine Rezession und steigende Arbeitslosenzahlen belasten die Regierung Erhard. Als der Kanzler Steuererhöhungen ins Auge fasst, verweigern ihm die FDP-Minister die Gefolgschaft und treten zurück. Erhard bleibt fürs Erste zwar Kanzler einer Minderheitsregierung, CDU und CSU ...

Ludwig Erhard auf dem Weg zur einer CDU-Sitzung am 2. November 1966

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... haben jedoch den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Kurt-Georg Kiesinger (rechts) als neuen Kanzlerkandidaten nominiert. Kiesinger wird sich mit dem SPD-Vorsitzenden Willy Brandt (links) bald über die Bildung der Großen Koalition einig.

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Kiesinger wird am 1. Dezember 1966 zum Kanzler gewählt, die Show stehlen ihm aber der als Finanzminister wiedergekehrte Franz Josef Strauß (links) und SPD-Wirtschaftsminister Karl Schiller. Die beiden arbeiten so reibungslos und eng zusammen, dass sie in Anlehnung an eine Wilhelm-Busch-Bildergeschichte Plisch (Schiller) und Plum (Strauß) genannt werden. Schiller und Strauß sind maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Staatsschulden eingedämmt werden und die Rezession überwunden wird. Berühmt wird das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz, das die rechtliche Grundlage für eine antizyklische Konjunkturpolitik bildet.

Finanzminister Strauß und Wirtschaftsminister Schiller (re.) 1968 auf einer Pressekonferenz zum Bundeshaushalt und der Fortschreibung der mittelfristigen Finanzplanung.

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Zum größten innenpolitischen Aufreger entwickeln sich die Notstandsgesetze, die im Verteidigungsfall, im Spannungsfall, bei innerem Notstand und im Katastrophenfall eine Einschränkung der Grundrechte vorsehen. Tausende Menschen demonstrieren gegen die Notstandsgesetze, ihren Höhepunkt erreichen die Demonstranten am 11. Mai 1968 beim Sternmarsch auf Bonn (im Bild), an dem etwa 30.000 Menschen aus allen Teilen der Bundesrepublik teilnehmen.

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Ebenfalls umstritten sind die Überlegungen der Großen Koalition, in Deutschland das Mehrheitswahlrecht einzuführen. Die CDU treibt das Vorhaben voran, kann jedoch letztendlich nicht die SPD dafür gewinnen. Die Sozialdemokraten gehen mit der FDP, die ihre politische Existenz gefährdet sieht, einen Handel ein: Die SPD blockiert das Mehrheitswahlrecht, die Liberalen bieten sich als möglicher Koalitionspartner für die nächste Bundestagswahl an.

Sitzung des Kabinetts der Großen Koalition in Bonn.

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Zuerst verhelfen die Liberalen Bundesjustizminister Gustav Heinemann (SPD) ins höchste Staatsamt. Nach drei Wahlgängen wird Heinemann am 5. März 1969 zum Bundespräsidenten gewählt. Die Wahl findet unter besonderen Umständen statt: Westberlin ist von sowjetischen Panzerdivisionen umstellt, Straßensperren und Soldaten der Nationalen Volksarmee blockierten die Landwege aus der Stadt nach Westen. UdSSR und DDR wollten ein Zeichen gegen die Entscheidung der Bundesregierung setzen, die Bundespräsidentenwahl in Westberlin abzuhalten. Die Wahlmänner der Bundesversammlung werden daraufhin per Flugzeug eingeflogen.

SPD-Fraktionschef Helmut Schmidt (rechts), gratuliert Gustav Heinemann zur Wahl.

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Die Bundespräsidentenwahl ist der Vorbote zum Machtwechsel in Bonn. Nach der Bundestagswahl 1969 einigen sich SPD und FDP auf die Bildung der sozialliberalen Koalition. Die CDU versucht bis zuletzt FDP-Abgeordnete zu "kaufen", damit sie Willy Brandt nicht zum Bundeskanzler wählen. In einer konspirativen Runde, an der auch der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Helmut Kohl teilnimmt, werden zwölf potentielle FDP-Abweichler ausgemacht. Hinter jedem Namen werden persönliche Bekanntschaften und Geschäftsbeziehungen notiert, die für Abwerbungskontakte nützlich sein könnten. Die Bemühungen scheitern aber, am 21. Oktober wird Willy Brandt mit 251 Stimmen (drei weniger als SPD und FDP Abgeordnete haben) zum vierten Bundeskanzler gewählt. Die sozialliberale Ära beginnt.

Der SPD-Vorsitzende Willy Brandt und FDP-Chef Walter Scheel vor Beginn der Koalitionsgespräche in Bonn am 1. Oktober 1969

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