Italiens Parlamentarier bekommen Rekord-Bezahlung:Auf Diät gesetzt

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Jetzt ist es amtlich: Die Spitzenverdiener unter den europäischen Volksvertretern sitzen in Rom. Die Bezüge summieren sich auf 16.000 Euro - monatlich. Hinzu kommen weitere Privilegien wie Versicherungen und Gratisflüge. Vom subventionierten Restaurant mussten sich die Parlamentarier schon verabschieden - doch das wird nicht reichen.

Andrea Bachstein, Rom

Italiens Parlamentarier sind die Spitzenverdiener unter den Volksvertretern Europas. Die Nachricht überrascht in Italien niemanden, aber nun ist es zum ersten Mal amtlich. Was bisher nur Zeitungen vorgerechnet hatten, stellt ein offizieller Bericht fest: Die Bezüge italienischer Deputierter und Senatoren summieren sich auf mehr als 16 000 Euro monatlich. 11 300 Euro davon sind Grunddiäten, die zum Beispiel bei Bundestagsabgeordneten bei rund 7600 Euro liegen. Die Bezahlung und die zahlreichen Privilegien "der Kaste", wie die politische Klasse gern abschätzig genannt wird, sind Dauerthema in Italien.

Rekordbezüge, Gratisflüge, Steak für 2,78 Euro - Italiens Parlamentariern (hier beim Weihnachtskonzert im Senat) geht es ausgezeichnet. (Foto: dpa)

Ohnehin mussten normale Bürger schon mit sinkenden Reallöhnen zurechtkommen. Nun kommen wegen der harten Sparprogramme der neuen Regierung Leistungskürzungen und schmerzhafte Abgaben- und Steuererhöhungen auf sie zu. Dass bei den Rentnern gespart wird und die Parlamentarier nicht mit gutem Beispiel vorangehen, halten viele für skandalös. Erst recht, weil die Parlamentarier noch andere Vergünstigungen genießen. Krankenversicherungen gehören dazu, kostenlose Flüge sowie privilegierte Pensionsregelungen. Von einem besonders absurden Privileg mussten sich die Senatoren schon Ende August verabschieden. Ihr Restaurant im Palazzo Madama war legendär - für gute Küche und Preise auf Vorkriegsniveau. Für 2,78 Euro konnten die Senatsmitglieder dort ein Steak verspeisen, das Rindsfilet kostete 5,53 Euro. Für die wahren Kosten kamen die Steuerzahler auf, die Senatoren durften sich bei ihren Mahlzeiten zu 87 Prozent von ihnen eingeladen fühlen.

Das war nicht mehr zu rechtfertigen, so trat nach der Sommerpause die Order in Kraft, dass die Restaurantpreise ungefähr auf Marktniveau steigen müssen. Viele Senatoren begnügen sich seither mit Reisgerichten oder kommen gar nicht mehr. Das Senatsrestaurant ist jedenfalls am Ende, und die Rechnung bezahlen die Mitarbeiter: Der Betreiber des ehrwürdigen Lokals musste neun von ihnen vor Weihnachten kündigen.

Die Parlamentarier beider Kammern stehen unter öffentlichem Druck und wissen, dass sie den Rotstift bei sich ansetzen müssen. Änderungen etwa bei den Pensionen und Übergangsgeldern sind im Gang. Doch ehe sie ihre Bezüge ändern, wollten sie abwarten, was der Chef der nationalen Statistikbehörde Istat in seinem Bericht herausfindet. Istat-Präsident Enrico Giovanni sagt, er habe sich sehr schwergetan mit dem europäischen Vergleich. Kein Parlament ist strukturiert wie das andere, genauso wenig die Bezüge und Aufwandsentschädigungen.

Auch wenn Italiens Parlamentarier am meisten Geld erhalten, sind sie nicht unbedingt die teuersten in Europa. Ein deutscher Bundestagsabgeordneter kann deutlich mehr kosten, wenn er Mitarbeiter beschäftigt. Das können bis zu 15 000 Euro im Monat sein. Aber das Geld zahlt der Bundestag den Mitarbeitern direkt, nicht den Abgeordneten. Sein italienischer Kollege bekommt nur 3700 Euro für diesen Zweck, kann sie aber selber einstecken: Nicht wenige beschäftigen gar keine Mitarbeiter oder bezahlen sie miserabel. Sparbereite Abgeordnete warnen in Rom, eine Umstellung der Mitarbeiterbezüge nach deutschem Modell könnte noch teurer kommen.

Der große Schnitt, um die Kosten der beiden Parlamentskammern zu reduzieren, wäre sowieso ein anderer: Die Zahl der Mandatsträger müsste drastisch reduziert werden. 630 Abgeordnete und 315 Senatoren wären nicht nötig bei 60 Millionen Bürgern: 80 Millionen Deutsche kommen mit 620 Abgeordneten aus. Dazu kommt, dass Senat und Abgeordnetenhaus bei der Gesetzgebung dieselben Funktionen haben. Pläne, das Parlament zu verkleinern, fanden nie eine Mehrheit. Niemand schafft sich gern selbst ab.

© SZ vom 04.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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