Italien:Vetos kreuz und quer

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Sitzt die Krawatte? Der Chef der rechtspopulistischen Lega, Matteo Salvini, nach den Gesprächen im Quirinals-Palast bei Italiens Staatspräsident. (Foto: Alessandra Tarantino/AP)

Bei den Regierungsgesprächen blockieren sich die Parteien gegenseitig. Präsident Mattarella mahnt, über Inhalte statt über Macht zu reden.

Von Oliver Meiler, Rom

Ein Veto ist kein sonderlich probates Mittel für ein fruchtbares Gespräch. Und wenn sich gleich mehrere kreuzen, wie das jetzt bei den Regierungsgesprächen in Italien der Fall ist, in diesem taktischen Spiel der so genannten Veti incrociati, dann blockiert das erst mal alles. Nach der ersten Runde der Konsultationen im Quirinalspalast, dem Sitz des italienischen Staatspräsidenten, zeichnete sich am Donnerstag wie erwartet ein Patt ab.

Noch immer ist rätselhaft, wie sich aus den drei großen politischen Blöcken eine stabile Mehrheit formen ließe: Alleine regieren kann weder die Protestbewegung Cinque Stelle, die bei den Parlamentswahlen 32,5 Prozent der Stimmen gewonnen hat, noch das rechtsbürgerliche Bündnis mit seinen insgesamt 37 Prozent, noch der sozialdemokratische Partito Democratico, der 19 Prozent erreichte. So belagern und belauern sie sich gegenseitig auf Distanz. Es wird wohl einer weiteren Sondierungsrunde bedürfen.

Der Cinque-Stelle-Führer will Premier werden. Egal, in welcher Koalition

Drei Vetos prallen bisher aufeinander, angeblich unwiderruflich. Luigi Di Maio etwa, der politische Anführer der Fünf Sterne, will unbedingt italienischer Premierminister werden und würde dafür eine Koalition sowohl mit der Linken wie mit der Rechten eingehen. Im letzteren Fall würde er aber Silvio Berlusconi draußen haben wollen. Der gehe gar nicht, sagt Di Maio. Das wiederum lässt sich die Rechte nicht bieten.

Matteo Salvini, der Chef der rechtsnationalen Lega, legt sein Veto gegen jede Verhandlung ein, die schon im Vorhinein einen seiner Alliierten ausschließt, Berlusconi eben. Die Sozialdemokraten wiederum lehnen alle Lösungen ab, die ihre Beteiligung an der neuen Regierung vorsehen. Als Wahlverlierer sehen sie ihren Platz in der Opposition. Vorerst jedenfalls.

Die Frage ist nun, wer als Erster weich wird und Kompromisse macht. Nachdem die Cinque Stelle und die Rechte gemeinsam die neuen Präsidenten der beiden Parlamentskammern gewählt haben, läge es nahe, dass sie jetzt auch einen Weg zu einer Regierung finden. Theoretisch. Bricht Salvini aber mit Berlusconi, wie das Di Maio von ihm fordert, wäre er nur noch so groß, wie es seine Lega ist: nämlich 17 Prozent. Di Maio wäre in einem solchen "Kabinett der Populisten" der klare Chef und Salvini nur der Sekundant. Das kann nicht Salvinis Bestreben sein, nun, da er so kurz davor steht, Anführer der ganzen Rechten zu werden. Berlusconi ist 81 Jahre alt und schlägt seinen hoffnungsfrohen Nachfolger schon einmal als Premier vor.

Salvini wird wohl versuchen, seinen Bündnispartner davon zu überzeugen, eine Rolle im Schatten einzunehmen, als Kompromiss. Wie die aussehen könnte, ist allerdings völlig unklar. Rollen im Schatten waren ja nie Berlusconis Ding. Nach seinem Besuch im Quirinal kehrte er den Spieß um und sagte, er werde keiner Regierung mit "Pauperisten", einer Elendstruppe also, zustimmen. Gemeint sind die Cinque Stelle.

Jetzt ist auch von einem Vertrag nach deutscher Art die Rede

Brüchiger scheint das Veto des Partito Democratico zu sein, der recht still durch diese Phase segelt. Neben den Hardlinern um Ex-Premier Matteo Renzi gibt es in der Partei auch "Possibilisti". So nennt man jene, die eine Verhandlung mit den Cinque Stelle für möglich erachten - notfalls, so Staatspräsident Sergio Mattarella darum bitten sollte. Immerhin, sagen sie, kämen viele Wähler der Cinque Stelle von der Linken. Noch ist dieses Lager aber in der Minderheit. Vorgezogene Neuwahlen, wie sie drohen würden, wenn das Patt anhält, wollen weder die Sozialdemokraten noch Berlusconis Forza Italia. Sie müssten befürchten, dass die beiden populistischen Parteien noch mehr Stimmen gewinnen. Oder anders: Lega und Cinque Stelle könnten das Spiel auch absichtlich in die Länge ziehen, bis Mattarella keine andere Wahl mehr bliebe, als das Parlament wieder aufzulösen.

Die Zeitung Corriere della Sera schreibt, der Präsident habe die Parteien aufgefordert, statt über Machtpositionen über Themen und Programme zu reden und sich dabei klar zu den europäischen Verpflichtungen zu bekennen: den Defizitvorgaben und den Verträgen. Der Appell ist an die Populisten gerichtet, die etliche Dinge in Frage stellen und sich trotz vieler Affinitäten in zentralen Punkten widersprechen. Über Inhalte wird auch deshalb nicht verhandelt, weil es in der politischen Kultur Italiens keine Koalitionsverträge gibt, wie sie zum Beispiel Deutschland kennt.

Di Maio wirbt nun mit einem Vertrag "alla tedesca", den er möglichen Bündnispartnern unterbreiten werde. Doch da fängt das Problem schon an: An wem liegt es, einen ersten Entwurf vorzulegen? Soll das die Einzelpartei mit den meisten Stimmen sein, also die Fünf Sterne? Oder nicht eher die Allianz mit den meisten Sitzen im Parlament, das Centrodestra von Salvini, Berlusconi und Giorgia Meloni von den postfaschistischen Fratelli d' Italia? Die Rechte findet natürlich, das sei, wenn schon, ihr Privileg. Ein Veto liegt also auch auf dem "Contratto alla tedesca".

© SZ vom 06.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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