Italien:Tanz auf dem Vulkan

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Die Protestbewegung der Fünf Sterne ist zu groß geworden, um sie bei der Regierungsbildung noch zu ignorieren. Doch mit wem sollen sie paktieren? Der bestmögliche Partner ziert sich.

Von Oliver Meiler

In Italien läuft nun der große Tanz der Ungewissheiten ab. "Ballo delle incertezze", so heißt auch das Lied eines jungen Römers, das in der italienischen Hitparade gerade oben steht. Gemeint ist hier aber die Politik und ihre schwer überschaubare Bühne. Bei den Parlamentswahlen am Sonntag haben elf Millionen Italiener für eine Partei gestimmt, die gelobt, alles über den Haufen zu werfen: das ganze System. Die Frage ist, ob diese postideologische Protestbewegung mit dem schönen Namen Cinque Stelle das Land regieren soll - und kann.

Zunächst zum Sollen. Mit fast 33 Prozent der Stimmen sind die Fünf Sterne die stärkste Einzelpartei im Land, mit klarem Vorsprung. Die rechte Koalition aus mehreren Parteien ist insgesamt noch etwas größer, doch ihr Zusammenhalt ist prekär. Ein Drittel der Stimmen, wie sie die Fünf Sterne erhalten haben, sind jedenfalls eine ganze Menge. Luigi Di Maio, der junge Chef, sagt es so: "Der Wind lässt sich nicht mit Händen aufhalten." Da hat er recht. Darum sollten die Cinque Stelle regieren. Man sähe dann, ob sie ihren revolutionären und moralischen Ansprüchen genügen. Vielleicht wäre das riskant, denn sie haben wacklige Positionen zu Europa zum Euro, zur Migration. Noch riskanter aber wäre es, wenn sie ganz ausgeschlossen blieben.

Die Koalitionsfrage heizt den Fünf Sternen und dem Partito Democratico mächtig ein

So schnell legt sich dieser Wind nämlich nicht, er ist ein Sturm. Zum Können. Die Sterne sind trotz ihres Erfolgs weit entfernt von einer Regierungsmehrheit. Das liegt am Wahlgesetz. In der Abgeordnetenkammer fehlen fast 100 Sitze, im Senat 50. Wollen sie regieren, und Di Maio will das unbedingt, dann brauchen sie Hilfe aus jener alten politischen Klasse, die sie immer verdammten. Schaut man sich um, kann die Hilfe eigentlich nur vom bislang regierenden Partito Democratico (PD) kommen. Der Arbeitgeberverband, der Vatikan, der Staatspräsident: Alle bedrängen die Sozialdemokraten, der Republik einen Gefallen zu tun und den unerfahrenen Sternen beim Regieren zu helfen. Aus Verantwortungsbewusstsein, für das höhere Wohl des Landes. Damit es am Ende, Gott bewahre, nicht doch noch ein Duett der Cinque Stelle mit der rechtspopulistischen, europa- und fremdenfeindlichen Lega gibt.

Man hört jetzt auch, der PD sollte dabei dem Vorbild der SPD folgen. Die habe auch trotz Bedenken in eine große Koalition eingewilligt. Nun, der implizite Vergleich zwischen Di Maio und Angela Merkel, zwischen Cinque Stelle und CDU, ist zumindest abenteuerlich. Doch tatsächlich stellt die Koalitionsfrage die italienische Sozialdemokratie wie davor die deutsche vor einen fundamentalen Zukunftsentscheid. Sie kann daran zerbrechen.

Die meisten ihrer Exponenten sagen nun: Nie mit den Populisten! Man vergesse nicht, dass die Sterne sie seit Jahren beschimpften: als "Mafiosi" und "Korrupte". Die inhaltlichen Differenzen seien zu groß, man verrate seine Werte nicht für Stehplätze auf dem Karren des Siegers. Doch es gibt auch ein kleines Lager von Bereitwilligen. Die finden, in den Sternen stecke die neue Linke. Sie fürchten sich auch davor, dass der PD verschwinden könnte, wenn bald noch einmal gewählt werden müsste. Weggefegt vom Wind.

Aber was ist mit den Cinque Stelle? Würden die nicht auch schnell verglühen, wenn sie plötzlich und erstmals mit Parteien aus der "Kaste" regierten? Wäre dann nicht ihre Einzigartigkeit weg, das ganze Kapital? Darum kreist der Tanz der italienischen Politik, und das ziemlich wild.

© SZ vom 09.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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