Wer Silvio Berlusconi verstehen will, sollte sich seinen Werdegang ansehen: In seiner Jugend amüsierte er als Sänger die Passagiere von Kreuzfahrtschiffen und hatte Erfolg. Später bespaßte er die Italiener mit seinen Fernsehsendern, und hatte noch mehr Erfolg. Dann wechselte er auf die Bühne der Politik und unterhielt das Volk mit Witzchen, Aufschneidereien und notorischem Spektakel. Selbst Gegner bekennen, Berlusconi sei zumindest kein Langweiler. Die Italiener danken ihm das, indem sie ihn hartnäckig zum Regierungschef wählen.
Aufgrund dieser Erfahrungen meint der Premier offenbar, seine Art, sich zu benehmen, werde auch auf internationalem Parkett goutiert. Daher wird er wütend und droht gar mit Boykott, wenn Reporter seine Späße als Fauxpas darstellen.
Bei einem Spaziergang am Samstag durch Prag schimpfte Berlusconi los: "Es ist wirklich unmöglich, dass wir Zeitungen haben, die gegen das Interesse Italiens sind." Seine Auftritte im Ausland, wie gerade beim G-20-Gipfel und beim Nato-Treffen, würden von den italienischen Medien verzerrt dargestellt.
"Ich möchte nicht so weit gehen, direkte und harte Maßnahmen gegen gewisse Zeitungen und Protagonisten der Presse anzuordnen. Aber ehrlich gesagt fühle ich mich schon in der Versuchung, das zu tun", wetterte Berlusconi. Gefragt, woran er denn da denke, fragte der Premier zurück, ob man denn glaube, die Italiener würden ihm nicht folgen, wenn er dazu aufrufen würde, bestimmte Medien nicht mehr anzuschauen.
Berlusconi erregt seit langem mit bizarrem Benehmen bei internationalen Treffen Aufsehen. So schlug er einst den deutschen Europapolitiker Martin Schulz für die Filmrolle eines KZ-Aufsehers vor. Später wiegelte er ab, das sei ein Späßchen gewesen. Die finnische Präsidentin will Berlusconi mit seinem "Playboy-Charme" zu politischen Zugeständnissen gebracht haben. Auf einem EU-Treffen setzte er einem Kollegen mit seinen Fingern "Hörner" auf.
Ein Spaßvogel
Barack Obama - erster schwarzer US-Präsident der Geschichte - lobte er als "jung, hübsch und gebräunt". Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erfreute er unlängst in Triest, indem er sich verbarg und "cucù" rief. Die britische Queen verwunderte er nun beim G-20-Gipfel, als er im Buckingham-Palast nach "Miisterr Obaamaa" plärrte. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Beobachter deuten die Eskapaden so: Berlusconi wolle seinen Wählern beweisen, was für ein lockerer Typ er sei. Zudem wolle er vertuschen, dass er in der Weltpolitik wenig zu melden habe. Von einer "Mischung aus Spontanität und ausgefeilter Medien-Strategie", schreibt der Corriere della Sera.
Allerdings geht die Strategie nicht immer auf. Häufig berichten Journalisten, der Premier komme im Ausland keineswegs so gut an, wie er behaupte. Dies erbost Berlusconi: Seine Botschafter intervenieren derzeit auffällig oft wegen missliebiger Artikeln. So beschwerte sich Italiens Vertreter in Madrid bei El Pais, dessen Kollege in London beim Guardian. Der Botschafter in Berlin wurde bei der Süddeutschen Zeitung vorstellig.
Wie in Italien berichtet wird, soll Berlusconi am Freitag in Baden-Baden zu Journalisten gesagt haben: "Ihr seid die Feinde Italiens." Am Samstag folgte der Ausbruch von Prag. Das war kein Späßchen mehr. Italiens Journalistengewerkschaft musste klarstellen: "Die Vielfalt der Information und der Standpunkte sind das Salz der Demokratie. Drohungen der Macht gegen die Presse sind inakzeptabel."