Italien:Kräuterkrieg

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Basilikum und Oregano - aus Italiens Küchen sind sie nicht wegzudenken. Trotzdem streitet das Land über Gewürze

Von Oliver Meiler

Wie Italien doch riecht. In seinen Küchen, auf seinen Feldern, von Ligurien bis Sizilien. Lebt die Sehnsucht nach dem Süden nicht auch und vielleicht sogar vor allem von den aromatischen Schwaden, die wie Stürme die Sinne umwirbeln, wenn man nur an sie denkt, sie aus den Urlaubserinnerungen holt, sie von allen unliebsamen Gerüchen trennt, die es auch noch gibt? Beispiel Basilikum, natürlich der ligurische, gepflückt und gezupft und auf die Insalata Caprese drapiert oder im Mörser mit Pinienkernen, Knoblauch, Parmesan und Olivenöl zum Pesto gemahlen - ach, diese Lebensfrische! Oder man denke an den Oregano, den sizilianischen, gewachsen auf den Hügeln der Insel, gereift unter gnadenloser Sonne, getrocknet in kleinen Sträußen, über Fisch, Fleisch, Pizza und Gemüse gestäubt - blumig und herb, scharfe Kontraste, Süden eben.

Nun, Italien erlebt gerade einen kleinen Kräuterkampf, einen kulturkulinarischen und gar nicht so romantischen. Von einem "Kräuterkrieg" schreiben die Zeitungen, die gern übertreiben: Basilico versus Oregano, die Fraktion des "Pesto alla Genovese" gegen jene der "Carne alla Pizzaiola", Norden gegen Süden.

Ausgelöst hat den Streit die linke Senatorin Venera Padua aus Scicli bei Ragusa, Sizilien. Sie brachte eine alte Geschichte wieder auf, den Fall einer mysteriösen Ungerechtigkeit. Vor zehn Jahren beschloss das italienische Finanzamt, ein fiskalisches Sonder-Regime für die Kräuter einzuführen; nämlich eine geringere Mehrwertsteuer von nur vier Prozent. Das sollte den Bauern und Herstellern helfen, den Saucenfabrikanten und letztlich auch den Kunden. Tabelle A von Dekret Nr. 633 führte unter anderem auf: Basilikum, Salbei, Rosmarin. Der Oregano aber fehlte. Haben sie ihn etwa einfach vergessen beim Erstellen der Liste? Oder war es eher eine Verschwörung, gestrickt in Rom, wie man in Sizilien vermutet? Seither wird der Oregano jedenfalls mit 22 Prozent besteuert, mehr als fünf Mal stärker als die Schwesterkräuter.

Venera Padua mahnte also an, dass die Steuersätze angeglichen würden, damit die Diskriminierung jener ungefähr fünfzig sizilianischen Bauern endlich ein Ende nehme, die Oregano gewinnen, wilden und angepflanzten. 1,6 Millionen Euro setzen sie insgesamt um im Jahr. Das ist nicht viel, zumal wenn dann auch noch 352 000 Euro weggehen. Doch wie hoch soll die neue Mehrwertsteuer sein: vier, fünf, sechs Prozent? Oder müsste sie nicht vielmehr bei zehn Prozent liegen, wie es die Europäische Union unter Androhung von Disziplinarstrafen fordert?

Der Vorstoß der Senatorin aus Sizilien führte dazu, dass man in Brüssel wieder hellhörig wurde, er weckte gewissermaßen einen schlafenden Hund. In Ligurien ist man erzürnt ob der politischen Unbedarftheit und fürchtet um das gute, globale Geschäft mit dem Pesto in Gläsern - ein bisschen wenigstens, wegen einiger Prozentpunkte profaner Steuererhöhung. Und um die Sehnsucht zu zerstören, braucht es ohnehin etwas mehr. Diese Nostalgie im Norden nach dem Süden: Sie bleibt lieblich aromatisiert und gewürzt mit Basilikum, Rosmarin, Thymian, Salbei, Oregano. Wie sie das immer schon war, zu allen Zeiten.

© SZ vom 02.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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