Italien:Kräftemessen der alten Parteien

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Bei den Kommunalwahlen haben es vor allem etablierte Kandidaten in die Stichwahl geschafft. Die populistische Fünf-Sterne-Bewegung verliert.

Von Oliver Meiler, Rom

Auch kleine Wahlen sorgen mal für große Schlagzeilen. In Italien waren am Sonntag neun Millionen Bürger in 1004 Gemeinden quer durchs Land aufgerufen, ihre Bürgermeister zu wählen. Und da keine der vier ganz großen Städte dabei war, sondern nur mittelgroße wie Palermo, Genua, Catanzaro, Verona und Parma, ging der Termin in der Wahrnehmung des restlichen Italiens etwas unter. Das Ergebnis des ersten Durchgangs ist nun aber so markant und überraschend ausgefallen, dass in den Parteien und in den Medien nationale Erkenntnisse davon abgeleitet werden.

In fast allen wichtigen Wettbewerben werden sich in der Stichwahl Vertreter der alten Parteien messen. Sie hatten sich vielerorts zu traditionellen Koalitionen zusammengeschlossen, weil das bei einer Majorzwahl in zwei Runden die Chancen mehrt: Nun heißt es fast überall "Centrodestra" gegen "Centrosinistra", Mitte-Rechts gegen Mitte-Links. Außen vor bleiben die Kandidaten der Cinque Stelle, die nie Allianzen eingehen und es in keiner größeren Stadt in die zweite Runde geschafft haben. In 140 Ortschaften mit mehr als 15 000 Einwohnern sind sie nur in acht Stichwahlen dabei.

Besonders schmerzhaft ist die Niederlage in Genua, der Geburtsstadt von Beppe Grillo, dem Gründer und Kopf der Partei. Da hatten die Anhänger der Fünf Sterne in einer Online-Umfrage eine Kandidatin ausgewählt, die dem Chef persönlich missfiel. Grillo setzte sich über den Entscheid der Basis hinweg und präsentierte stattdessen seinen Favoriten, den Opernsänger Luca Pirondini, und der fiel mit nur 18 Prozent durch. Eine Vorahnung für das drohende Debakel musste Grillo gehabt haben: Als er vor der Wahl in Genua auftrat, blieb die Piazza zur Hälfte leer.

Renzi denkt nun offenbar über einen Termin für Neuwahlen im November nach

In den etablierten Blöcken, rechts und links der Mitte, wächst bereits die Überzeugung, das alte bipolare System könnte eine unverhoffte Wiedergeburt erleben - selbst bei nationalen Wahlen. Die Entwicklung durchkreuzt die bisherige Strategie der Leader: Matteo Renzi vom Partito Democratico hat es sich mit den meisten anderen linken Parteien verscherzt; und Silvio Berlusconi liefert sich seit geraumer Zeit einen Hahnenkampf um die Vorherrschaft des Centrodestra mit dem Rechtspopulisten Matteo Salvini von der Lega Nord. Wie sie alle wieder zusammenfinden sollen, ist noch rätselhaft.

Plötzlich könnten nun auch Neuwahlen vor dem ordentlichen Termin wieder ein Thema werden. Renzi jedenfalls, der nach der gescheiterten Wahlrechtsreform vergangene Woche schon resigniert zu haben schien, denkt nun offenbar über einen Termin im November nach. Erneut stellt sich die Frage nach dem passenden Wahlgesetz. Nur einer feiert uneingeschränkt. Anti-Mafia-Kämpfer Leoluca Orlando hat seine Wiederwahl als Bürgermeister Palermos schon im ersten Wahlgang gesichert. Dafür braucht es auf Sizilien, das einen Autonomiestatus besitzt, nur 40 Prozent der Stimmen. Orlando brachte es auf 45 Prozent. Es war bereits Orlandos fünfter Wahlsieg. Getragen hatte den ehemaligen Christdemokraten diesmal die gesamte Linke - jedoch ohne Parteisymbole: Die verbat sich Orlando.

Er hätte wohl auch ohne die Hilfe der Parteien gewonnen. Orlando prägt seine Stadt Palermo seit dreißig Jahren mit einer stabilen Gunst im Volk, die in diesen volatilen Zeiten irgendwie anachronistisch wirkt.

© SZ vom 13.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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