Italien:Geheimsache König

Lesezeit: 3 min

Vittorio Emanuele III. und seine Frau Elena auf einem Briefkuvert. Dazu abgebildet die Noten der Hymne des Königreiches Italien. (Foto: imago/Arkivi)

Die Gebeine des früheren Monarchen Vittorio Emanuele III. wurden im Piemont beigesetzt. Das Projekt wurde geheimgehalten - der "Re del fascismo" hat keinen guten Ruf.

Von Oliver Meiler, Rom

In der Wallfahrtskirche von Vicoforte, einer Basilika mit einer prächtigen Kuppel im Piemont, spielen sich gerade historische Szenen ab - jedoch eher politische als religiöse. Und wenn nicht alles täuscht, dann sind sie das Vorspiel einer größeren Polemik.

Vittorio Emanuele III., König Italiens von 1900 bis 1946, und seine Frau, Elena von Montenegro, finden da nach langer Trennung wieder zusammen. Posthum. Beide waren sie im Exil gestorben: er im ägyptischen Alexandria, sie im südfranzösischen Montpellier. Nun wurden die sterblichen Überreste des Paares in einer Nacht- und Nebelaktion nach Vicoforte in ein Mausoleum der Familie überführt.

Tatenlos sah er zu, wie Benito Mussolini und die Faschisten aufstiegen

Die Italiener erfuhren erst am Samstag von der geheimgehaltenen Operation, da war Elena bereits frisch bestattet. In Ägypten startete dann am Sonntag im Beisein des italienischen Botschafters eine Militärmaschine, die auch ihren Mann zur Umbettung ins Piemont flog. Die Verhandlungen zwischen dem Haus Savoyen und dem italienischen Präsidialamt hatten offenbar mehrere Monate gedauert.

Verwunderlich ist die Geheimhaltung nicht. Hätte man davon gewusst, wäre die Operation vielleicht missraten. Vittorio Emanuele III. war ein hoch kontroverser König gewesen. Nach seiner Abdankung regierte zwar noch kurz, einen Monat lang, sein Sohn Umberto II. Doch dass die Italiener im Juni 1946 für die Abschaffung der Monarchie stimmten, lag am dunklen Vermächtnis des "Re del Fascismo", des Königs des Faschismus, wie man ihn nennt. Tatenlos sah Vittorio Emanuele III. zu, wie Benito Mussolini aufstieg. Er trug das Regime des Duce auch noch mit, als längst allen klar war, dass der das Land in den Totalitarismus führte. Der König unterzeichnete alle Gesetze der Faschisten, auch die Rassengesetze.

Königin Elena, die zur Belustigung des Volks markant größer gewachsen war als der Gemahl, hielt sich politisch stets zurück. Sie war bis zuletzt recht beliebt. Den guten Ruf verdankte sie vor allem ihrem persönlichen Engagement nach einer der größten Naturkatastrophen in der Geschichte des Landes, dem Erdbeben von Messina, 1908. Über 100 000 Menschen kamen damals um, die Stadt war total zerstört. Elena fuhr hin und koordinierte die Hilfe. Man rief sie danach auch "Engel des Erdbebens". Die Regierungsbilanz des Königspaares sollte aber auf immer befleckt sein von der stillen, komplizenhaften Kohabitation von Vittorio Emanuele III. und Mussolini. Die Abkehr des Königs kam spät und brachte nichts mehr: Die Dynastie war verloren.

Der Enkel hätte ihn lieber im Pantheon gesehen - doch da liegen nur Helden

Geheimgehalten wurde die Operation der Rückführung nun auch deshalb, weil das Haus der Savoyen gespalten ist - in allem. Organisiert hat sie Prinzessin Maria Gabriella, eine Enkelin von Vittorio Emanuele III., Cousine und ständige Gegenspielerin von Vittorio Emanuele von Savoyen, dem Sohn von Umberto II. Die beiden streiten seit vielen Jahren über die sehr hypothetische Frage, wer König wäre, wenn die Dynastie noch Könige stellen könnte. Vittorio Emanuele jedenfalls meint, dass er das sein müsste. Nun erfuhr er aus der Presse, dass seine Cousine die Gebeine der Ahnen ins Land zurückholen ließ, ohne ihn zu unterrichten. Ein Affront. Noch mehr aber empört ihn, dass die Knochen der Könige nicht nach Rom ins Pantheon kommen, wo schon andere, gefeierte Mitglieder der Familie liegen, sondern eben nur nach Vicoforte. "Gerechtigkeit wird erst dann geschehen sein", ließ er ausrichten, "wenn alle Souveräne der Savoyen, die im Exil starben, im Pantheon ruhen." Die Forderung ist natürlich verwegen: Im Pantheon sind nur Helden bestattet, solche, an deren Gedenken sich die Geister nicht scheiden.

Doch über den Vorstoß des skandalumwitterten Thronanwärters ist niemand wirklich überrascht. Er ist 80 Jahre alt und neigt noch immer zur Groteske. In allen Zeitungen melden sich nun Historiker zu Wort. Sie erklären, warum es ganz unmöglich sei, wenn Vittorio Emanuele III., der "König des Faschismus", mal im Pantheon zu liegen käme. Es sei ja in Ordnung, dass die beiden in die Heimat zurückkehrten und nebeneinander ruhten. Doch jeder Glorifizierung müsse gewehrt werden. "Die Schuld des Königs", schreibt der Corriere della Sera, "ist groß und bleibt unauslöschlich."

© SZ vom 18.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: