Italien:Berlusconi gibt den Takt vor

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Der Ex-Ministerpräsident mischt mit seinem Einverständnis, Premier Gentiloni als geschäftsführenden Regierungschef weiterarbeiten zu lassen, die Parteien auf. Die Parlamentswahl kommt voraussichtlich am 4. März.

Von Oliver Meiler, Rom

Er füllt wieder alle Säle, stellt sich auf jede Bühne, taktiert, schwadroniert, scherzt wie ehedem, und die Zeitungen sind jedes Mal voll. Italiens Öffentlichkeit tanzt wieder nach der Taktvorgabe von Silvio Berlusconi. Den besten Beleg dafür lieferte sein jüngster Auftritt im Tempio di Adriano, dem Tempel Hadrians mit seinen schönen Säulen im Zentrum Roms. Oder besser: die Reaktion darauf in den Medien.

Berlusconi, mittlerweile 81, stellte da das neue Buch des Fernsehjournalisten Bruno Vespa vor, einem Dauerschreiber unter der Sonne. Macht er immer, er ist sein Verleger. Die Rollenverteilung zwischen dem ehemaligen Premier und dem Journalisten mutet jeweils kurios an, doch diese Vernissagen sind nunmehr zum festen, wenn auch inoffiziellen Ritual der Republik geworden. 24 Mal wurde es schon aufgeführt. In den vergangenen Jahren, als Berlusconi in der politischen Bedeutungslosigkeit dämmerte, blieben jeweils viele Plätze leer. Diesmal war der Saal wieder voll. Die alte Clique ist zurück, und alle Klatschenden wollen gesehen werden.

Berlusconi dünkte die Gelegenheit passend, die politische Szene mal so richtig aufzumischen - weniger als drei Monate vor den Parlamentswahlen. Noch ist der Wahltermin nicht offiziell. Doch hinter den Kulissen sollen sich die Parteien mit dem Staatspräsidenten auf den 4. März geeinigt haben. Vor dem Schlafengehen habe er einige Kapitel aus Vespas Buchs gelesen, erzählte Berlusconi. Es trägt den Titel "Soli al comando", etwa: "Allein an der Macht", und handelt von politischen Solisten und Herrschern aller Art. "Da ist unter anderem die Rede von etlichen Diktatoren", sagte Berlusconi lächelnd, "so auch von Mussolini, der ja vielleicht gar kein Diktator war." Später fügte er hinzu: "Das war nur ein geistreicher Spruch, um für ein bisschen Aufmerksamkeit zu sorgen."

Gentiloni ist ein Ausbund an Mäßigung. Im Volk genießt kein Politiker mehr Popularität als er

So politisiert er seit 24 Jahren. Seine Sprüche sind nie zufällig: sie haben immer Adressaten. Die Verniedlichung Mussolinis diente schon früher dazu, die stramme, nostalgische Rechte an sich zu binden. Noch mehr als der gar nicht so geistreiche Spruch über den Faschistenführer gibt nun aber das zu reden, was Berlusconi über die unmittelbare Zukunft des Landes sagte. Vespa fragte ihn, wie es denn mit Italien weitergehen würde, wenn es nach den kommenden Wahlen keine regierungsfähige Parlamentsmehrheit gebe, wenn also weder seine etwas wacklige Rechte, noch die zerstrittene Linke, noch die Protestpartei Cinque Stelle dafür je genügend Stimmen gewännen. Diese Wahrscheinlichkeit, so zeigen es bisher alle Prognosen der Umfrageinstitute, ist ziemlich groß: Auf mehr als 35 Prozent bringt es keiner der drei Blöcke. Mit seiner Antwort überraschte Berlusconi alle: "In diesem Fall", sagte er, "wäre es richtig, wenn wir mit der jetzigen Regierung weitermachen würden und eine neue, nicht so kurze Wahlkampagne zulassen, damit die Parteien ihre Programme auch wirklich gut vorstellen können."

Nun fragt sich das Land, was Berlusconi damit wohl genau gemeint haben könnte. Die bedeutsamste Botschaft ist wohl diese: Bei einem Patt würde der Sozialdemokrat Paolo Gentiloni, der Italien seit einem Jahr regiert, wohl noch eine ganze Weile Premier bleiben. Als Geschäftsführer, mit Berlusconis Segen. Der 63-jährige Römer wird für seine unaufgeregte Art geschätzt, auch im Ausland. Und da Italien sich eine Phase politischer Instabilität kaum leisten kann - weder eine kurze für den Fall von Koalitionsverhandlungen und noch weniger eine lange bis zu allfälligen Neuwahlen - setzt auch Staatspräsident Sergio Mattarella auf Paolo Gentiloni.

Mit seiner freundlichen Empfehlung sät Berlusconi nebenbei Zwietracht bei seinen linken Gegnern, was kein schlechtes Mittel ist im Wahlkampf. Im Partito Democratico mehren sich nämlich die Stimmen, die finden, Gentiloni biete das bessere Plakatgesicht als Parteichef Matteo Renzi. Die beiden Männer stehen sich politisch und persönlich sehr nahe. Doch im Wesen sind sie sehr unterschiedlich. Renzi polarisiert mit seiner brüsken Art. Gentiloni dagegen ist ein Ausbund an Mäßigung, leise und grau. Im Volk genießt kein italienischer Politiker mehr Popularität als er. In den vergangenen Monaten gelang es Gentiloni außerdem, dank stiller Vermittlung im Parlament einige Reformen durchzubringen, die nach Renzis Rücktritt blockiert waren - zuletzt auch eine liberalere Gesetzgebung zur Sterbehilfe, mit der Einführung eines "Biotestamento": So nennen die Italiener die Patientenverfügung.

Berlusconis Vorstoß sorgte auch im eigenen Lager für Aufregung, vor allem bei Matteo Salvini, dem Chef der rechtspopulistischen Lega Nord. Auch das scheint durchaus gewollt zu sein. Seit Berlusconis Comeback sinkt der Zuspruch für die Lega, während der von Forza Italia steigt. Glaubt man den Umfragen zu den Wahlabsichten, liegt die Lega mit momentan 13 Prozent etwa drei Prozent hinter Berlusconis bürgerlicher Partei zurück. Alliiert sich Salvini nicht mit Berlusconi, hat er keine Aussicht auf die Macht. Berlusconi hingegen kann sich notfalls auch mit den Sozialdemokraten verbünden, in einer großen Koalition, sofern die denn wollen. Er spielt also auf mehreren Tischen gleichzeitig, wie er das immer gerne tat. Und er spielt auf Zeit, da er selber ja noch immer unter einem Ämterbann steht. Würde er den laufenden Prozess vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gewinnen, wäre er bei allfälligen Neuwahlen wieder wählbar.

Salvini ließ ausrichten, dass alle Bündnisverhandlungen mit Forza Italia suspendiert seien. Das muss noch nichts heißen, vielleicht spielen alle falsch. Nun läuft der Wahlkampf, die Zeit für große Versprechen und halblustige Sprüche, wieder unter maßgeblicher Taktangabe Berlusconis.

© SZ vom 15.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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