Italien:Auferstandene Ruine

Lesezeit: 2 min

Jahrelang wurde der Circus Maximus in Rom restauriert. Nun kann man die alte Bühne der Macht wieder betreten.

Von Oliver Meiler

Man sollte den Römern einmal dafür danken, dass sie noch immer graben, in der Antike stochern, alte Steine mit Pinseln säubern. Damit die Erinnerung nicht verblasst. In einigen Tagen öffnet der Circus Maximus wieder, in allen Teilen. Acht Jahre lang haben sie in der großen Arena zwischen Aventin und Palatin gegraben, die Hänge befestigt, einen neuen Rundgang beschildert, eine Panoramaplattform gebaut. Und es mag ein Zufall sein, dass die Arbeiten gerade jetzt fertig wurden, da die Welt über die Macht der Volksverführer sinniert. Der Circo Massimo, wie ihn die Römer nennen, diente den Kaisern ja als Bühne des panem et circenses, der Maxime der Demagogen: Brot und Spiele. Mit Wagenrennen und Gladiatorenkämpfen umgarnten sie das Volk, lenkten es ab.

Der Circus Maximus ist die größte Sportanlage, die je gebaut wurde. 600 Meter lang, 140 Meter breit, gebettet in ein Tal. Erste Formen nahm das Stadion schon sieben Jahrhunderte vor Christus an. Julius Cäsar baute es dann zur großen Arena aus, mit Tribünen aus Marmor und Tavernen. Nach ihm ließ es sich kein Kaiser nehmen, die Stätte weiter auszuschmücken, mit Säulen und mit Obelisken, die sie auf ihren Feldzügen erbeutet hatten. In den besten Zeiten gab es im Circus Maximus Platz für 250 000 Zuschauer. Sie kleideten sich in den Farben ihrer liebsten Rennställe: Grün, Blau, Weiß, Rot. Die Wagenführer waren Stars der Antike. Und über allem thronten die Kaiser, schauten gönnerhaft herunter auf ihre Plebs, die sich da verlor im Zirzensischen.

Nach tausend Jahren war Schluss. Der Circus verkam, Gras überwucherte ihn. Im Mittelalter wurde der Talboden als Ackerland genutzt, zwischenzeitlich auch als Friedhof. Und den Marmor der Tribünen trugen sie weg, um damit Kirchen und Paläste zu bauen. Erst im 19. Jahrhundert besann man sich, die Antike zu feiern und räumte weg, was sie verstellte. In den 1930er-Jahren entdeckte Mussolini den Circo Massimo für seine Propaganda, und auch das sollte niemanden verwundern. Mittlerweile ist dieser große Flecken unverbauten Bodens mitten im Zentrum der Stadt eine formidable Bühne für alles: für Großkundgebungen der Gewerkschaften, für das alltägliche Jogging, fürs sommernächtliche Rumhängen der Jugend. Die Rolling Stones spielten schon da, Genesis zu ihrer Zeit, unlängst Bruce Springsteen. Wenn der römische Fußball Triumphe feiert, was selten vorkommt, begeht man sie im Circo Massimo.

Und so gehört der Circus zu den belebtesten Orten der Antike in der Stadt. An allen Seiten umtost ihn Verkehr, hupend und laut. Als verdiente er keinen Respekt. Bei ihren Ausgrabungen fanden die Archäologen nun unter anderem die Reste eines mächtigen Titusbogens, von dem niemand etwas gewusst hatte. Es kamen so viele Steine zusammen, dass es Forschern der Universität Roma Tre gelang, den Triumphbogen nachzuzeichnen. Eine Million Euro würde es kosten, den Arco di Tito aufzurichten. Die klamme Stadt sucht mal wieder Sponsoren. Alleine kann sie das grandiose Vermächtnis der Antike schon lange nicht mehr pflegen. Sie tut es für alle, die verstehen wollen, woher sie kommen und warum sie sind, wer sie sind.

© SZ vom 12.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: