Italien:Auch du, mein Sohn

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Der Senator Giuseppe Vacciano will aus dem Gremium ausscheiden, doch man lässt ihn nicht. Der Betroffene indes sieht sich als Opfer einer großen Verschwörung - fast so wie im alten Rom.

Von Oliver Meiler

Der römische Senat war immer ein Ort perfider Ränkespiele. Es gab gar eine Zeit, als das Imperium noch mit S.P.Q.R. zeichnete, also mit Senatus Populusque Romanus (Senat und Volk von Rom). Da heckten sie im hohen Gremium auch mal niedere Morde aus. Still und heimlich. Nach einer solchen Verschwörung im Senat wurde Gaius Julius Cäsar ermordet. Seine Gegner hatten angenommen, er wolle sich zum König aufschwingen. Gemeuchelt haben sie ihn, an den Iden des März, 44 v. Chr. Unter den Mördern Caesars waren hehre Republikaner, Neider, verhinderte Aufsteiger, solche, die sich pekuniär geprellt wähnten. Bemerkenswert war dies: Obschon der Konspiranten viele waren, nämlich sechzig Senatoren, schafften sie es, ihren Plan geheim zu halten.

Das sollte man wissen, bevor man sich die Geschichte von Giuseppe Vacciano anhört, einem "Senatore della Repubblica" unserer Zeit, 43 Jahre alt, geboren in Neapel. Man kann die Geschichte kafkaesk nennen, surreal. Römisch aber trifft es besser, treu alten Traditionen. Vacciano versucht nämlich seit anderthalb Jahren vergeblich, aus dem Senat rauszukommen, weg von der Politik. Er ist gewissermaßen gefangen im Palazzo Madama, einem Prachtbau hinter der Piazza Navona. Und wird darüber fast wahnsinnig.

Zwei Mal zwang er die Kollegen schon, über sein Rücktrittsgesuch abzustimmen. Beim zweiten Mal hatte er seine Sachen bereits in Schachteln gepackt, in freudiger Erwartung. Allzu sehr leidet er unter seinem Mandat, das er nach der Wahl im Jahr 2013 als Senator der Protestpartei Movimento Cinque Stelle angetreten hatte. Vacciano ist Buchhalter. Vor seinem Einstieg in die Politik arbeitete er bei der Banca d' Italia, der italienischen Zentralbank, Zweigstelle Latina. Der Komiker Beppe Grillo, Gründer des Movimento, motivierte ihn zum zivilen Engagement. Vacciano versuchte sich zunächst bei der Bürgermeisterwahl in Latina, gewann aber nur tausend Stimmen. Zum Senatssitz reichte es dann locker.

Doch Vacciano war bald ernüchtert über die Linie seiner Partei, stimmte mit der linken Regierungsmehrheit und sagte, er wolle konsequent sein, er hänge nicht an seinem Posten, er trete zurück. Das sagen im Verlauf einer Legislatur viele und führen noble Gründe an. Doch wirklich ernst meinen es dann doch nur ganz wenige, schließlich verdienen Parlamentarier nirgendwo in Europa mehr als in Italien. Vacciano hängt aber offenbar auch nicht am Geld. Er will einfach zurück zum alten Job, zu seinem früheren Leben.

Zwei Mal stimmten sie also schon gegen seinen Rücktritt - in geheimer Abstimmung, wie es das Reglement vorschreibt. Das erste Mal war absehbar gewesen: Das tun sie immer, damit es sich der Parlamentarier noch einmal überlegen kann. Das zweite Mal aber ist schäbig. Nun hat er das dritte Gesuch eingereicht, zusammen mit einem dringenden Appell an den Senatspräsidenten. Man erzählt sich in Rom, die Linke lasse Giuseppe Vacciano deshalb nicht gehen, weil sonst an dessen Stelle ein linientreuer "Grillino" nachrücken würde, ein echter Widersacher. Da läuft also eine Verschwörung gegen den armen Mann, eine böse Intrige. Fast wie im alten Rom.

© SZ vom 05.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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