Italien:Auch du, Bondi

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Enttäuscht von Bunga Bunga und Reformflaute: Sandro Bondi. (Foto: Dario Pignatelli/Reuters)

Silvio Berlusconi verliert seinen treuesten Fan. Die Italiener sehen darin das Ende einer Ära. Vom Charisma des "Dottore" scheint nicht mehr viel übrig zu sein.

Von Oliver Meiler, Rom

Liebe ist ein unbeständiges Gefühl. Auch in der Politik, oder da ganz besonders. Wahrscheinlich hat es in der Politik auch nichts zu suchen. Und doch glaubten die Italiener, die innige Verbindung zwischen Sandro Bondi und Silvio Berlusconi könne nicht welken. Allzu symbiotisch schien ihr Verhältnis zu sein, zu verstrickt ihre politischen Geschichten, zu groß die Verehrung Bondis für "il Dottore", wie er Berlusconi nannte. Kein Römer Polit-Duo stand sich je näher. Doch nun hat auch Bondi mit Berlusconi gebrochen, und in Italien steht dieser Treuebruch sinnbildlich für das Ende einer Epoche. Sogar Bondi!

Fast zwei Jahrzehnte lang war der 55-jährige Toskaner, ein ehemaliger Kommunist, Er- und Verklärer des "Berlusconismo". Bondi koordinierte die Partei Forza Italia mit dem Eifer eines Missionars und der sanften Stimme eines Pfarrers. Im Fernsehen wurde der studierte Philosoph auch schon mal poetisch, um den Chef zu preisen: "Er trägt die Sonne in seiner Tasche", sagte er einmal. Natürlich setzte er sich mit dem bedingungslosen Personenkult dem Gespött der Kommentatoren aus. Man fragte sich zuweilen, ob er sich als Groupie und Höfling nicht auch ein bisschen selbst parodiere.

Doch das kümmerte ihn nicht. Noch mehr litt Bondi an der Kritik am "Dottore". Er hielt ihn ja stets für ein Opfer aller Komplottisten dieser Erde. Um auch in der Freizeit immer ganz nahe bei ihm zu sein, kaufte sich Bondi eine Wohnung in Arcore bei Mailand, wo Berlusconi seine Villa San Martino stehen hat, das Partyhaus, das heute weltbekannt ist als Stätte eines mysteriösen Ritus namens Bunga Bunga. Als Berlusconi das Gefängnis drohte, bot Bondi an, im Ernstfall die Haftstrafe an dessen Stelle abzusitzen. Einmal trat er in den Hungerstreik, um sich gegen ein Fernsehgesetz aufzulehnen, das dem Medienunternehmer Berlusconi missfiel. Mehr Ergebenheit geht nicht. Berlusconi machte ihn zum Kulturminister, für drei Jahre.

Wann genau diese Verehrung ein Ende fand, ist nicht überliefert. Die unappetitlichen Geschichten rund um Bunga Bunga dürften zum Bruch beigetragen haben. Wahrscheinlich wog auch die Enttäuschung darüber, dass der große liberale Geist, den Bondi in Berlusconi vermutet hatte, in Wirklichkeit nur ein laues Lüftchen war, dass der gefeierte Reformer als Regierungschef herzlich wenig reformierte. Da war selbst Bondi ernüchtert.

Der Senator verliebte sich in eine Senatorin von Forza Italia, in die Hinterbänklerin Manuela Repetti, und verlor zusehends an Einfluss im Führungsgremium der Partei. Berlusconi hört nun eher auf Leute, die ihn in die Arme der rechtsextremen Lega Nord treiben möchten. Berlusconis Wähler sind verunsichert. Manche von ihnen finden Gefallen am linksliberalen Premier Matteo Renzi, in dem sie einen wahren Macher sehen. In den Umfragen sagen nur noch etwa zehn Prozent der Italiener, dass sie Forza Italia wählen würden. Früher wählte sie jeder Dritte. Berlusconi ist jetzt 78 Jahre alt, sein Charisma verbraucht. Der Kult um seine Person erhält keine Nahrung mehr. Früher war dieser Kult gleichsam der Kitt der italienischen Rechten, eine Erfolgsgarantie bei vielen Wahlen. Nun ist da nichts mehr. Und einen Nachfolger wollte Berlusconi nicht heranwachsen lassen.

Wenn die Partei bei den Regionalwahlen im kommenden Mai so schlecht abschneiden sollte, wie es die Demoskopen voraussagen, dann verliert sie auch gleich etliche Parlamentarier. Der absehbare Exodus wird noch begünstigt von der symbolträchtigen Abkehr des ehemaligen Missionars. Bondi und Repetti traten im Senat dem "Gruppo misto" bei, der Fraktion der Fraktionslosen. Darin finden sich alle Dissidenten, Geschassten und Enttäuschten wieder. Sogar Bondi!

© SZ vom 07.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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