Italien:Arbeitsminister verspottet Auswanderer

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Besser, wenn sie weg sind: Minister Giuliano Poletti hat sich abschätzig über junge Italiener geäußert, die das Land verlassen, um ihr Glück im Ausland zu suchen. Es sei nicht wahr, dass nur die besten gingen, meint der Minister.

Von Oliver Meiler, Rom

Hohn ist nie nett. Wenn er sich gegen die Hoffnungslosen richtet, ist er geradezu böse. Italiens Arbeitsminister Giuliano Poletti hat sich abschätzig über vor allem junge Italiener geäußert, die das Land verlassen, um ihr Glück im Ausland zu suchen. "Man muss endlich die These korrigieren", sagte Poletti, "dass nur die besten wegziehen. Ich kenne Leute, da ist es besser, dass sie sind, wo sie jetzt sind." Als er so sprach, war der Minister umgeben von Fernsehkameras. Der Clip ging schnell viral. Leugnen wäre sinnlos gewesen.

Nun ist es nicht das erste Mal, dass sich der 65-jährige Norditaliener, ein ehemaliger Kommunist, eine Entgleisung leistet. Die jüngste Taktlosigkeit ist deshalb denkwürdig, weil Poletti seit bald drei Jahren Arbeitsminister ist, Mitarchitekt der großen Arbeitsreform, und das Land unter einer hohen Jugendarbeitslosigkeit leidet. Landesweit liegt sie bei etwa 40 Prozent, im Süden teils sogar bei mehr als 50 Prozent. Und da die Wirtschaft sich noch immer nicht erholt hat von der Krise, sehen viele Italiener ihre einzige Chance im Ausland. Jedes Jahr gehen Zehntausende weg. Auch solche, die viel lieber bleiben würden.

Wahrscheinlich legte man Poletti nahe, sich zu entschuldigen. Jedenfalls wirkte er genötigt, als er sich für einen Videopost auf Facebook an seinen Schreibtisch setzte. Er habe nur sagen wollen, dass sich unter den Jungen, die in Italien blieben, auch kompetente und engagierte Leute befänden. "Das ist meine Meinung, und es tut mir leid, wenn es mir nicht gelungen ist, sie richtig auszudrücken." Gebracht hat es nichts. Der Sturm im Netz flaut nicht ab. Selbst die Jugendsektion seiner Partei, des sozialdemokratischen Partito Democratico, hält Poletti für untragbar. Unterdessen ist nämlich auch noch bekannt geworden, dass der Sohn des Ministers als Chefredakteur einer kleinen Wochenzeitung vorsteht, die auch von öffentlichen Zuschüssen lebt. Das ist an sich nicht verwerflich, Subventionen fließen an alle Zeitungen. Es gibt bisher keine Hinweise, dass der Senior die Karriere des Juniors begünstigt haben könnte. Doch der bloße Verdacht nährt den Zorn über den Zynismus des Ministers zusätzlich. Viele junge Italiener finden auch deshalb keinen Job, weil auf Italiens Arbeitsmarkt Beziehungen mehr zählen als Leistungen. Im Parlament liegt nun ein Misstrauensantrag der Opposition gegen Poletti. Viel Aussicht auf Erfolg dürfte er nicht haben, dafür sind die Mehrheitsverhältnisse zu klar. Freiwillig mag Poletti nicht zurücktreten, wie er mitteilte. Er habe sich schließlich entschuldigt.

© SZ vom 23.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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