Italien:Allgemeiner Schwächezustand

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Die Opposition ist kraftlos, niemand kann es mit Premier Renzi aufnehmen. Dabei ist er selbst angeschlagen.

Von Stefan Ulrich

Eigentlich müsste jetzt die Stunde der rechten Opposition schlagen. Bürgerliche, Konservative und Rechtsliberale in Italien könnten ihre Kräfte vereinen, um die Macht im Land zu erringen. Premier Matteo Renzi vom sozialdemokratischen Partito Democratico hat den Schmelz des neuen Mannes in der Politik verloren, seine Umfragewerte sind zurückgegangen, seine Partei ist zerstritten. Nun muss er befürchten, das Referendum im Oktober über eine große Verfassungsreform zu verlieren. Der scheinbar unschlagbare Politstar der vergangenen Jahre ist besiegbar geworden.

Auch die radikale Oppositionskraft Movimento Cinque Stelle (Fünf-Sterne-Bewegung), bislang die größte Konkurrenz für Renzi, schwächelt. In Rom beweist sie gerade ihre Unfähigkeit zu regieren (siehe nebenstehenden Bericht). Auch manche Anhänger dürften sich fragen, ob man den fünf Sternen das ganze Land anvertrauen kann. Dies könnte wiederum der Rechten zugutekommen. Nur: "Auf der Rechten ist weit und breit gar nichts zu sehen", sagt ein politischer Beobachter in Rom.

Berlusconi hat einen Kronprinzen - nur krönen mag er ihn noch nicht

Zwei Jahrzehnte lang hat Silvio Berlusconi, der Anführer der Partei Forza Italia, dieses Lager dominiert und mehrfach an die Regierung geführt. Nun wird Berlusconi 80 Jahre alt, er ist gesundheitlich angeschlagen und kaum noch in der Öffentlichkeit präsent. Obwohl er politisch quasi als unsterblich gilt, glaubt kaum einer, dass er die Rechte wieder einen kann. Seine Kraft ist jedoch ausreichend, um zu verhindern, dass jemand sein politisches Erbe antritt, der ihm nicht genehm ist.

Politische Leichen von Verbündeten pflastern Berlusconis Weg. Einst stolze Parteiführer im rechten Lager wie den Nationalkonservativen Gianfranco Fini und den Christdemokraten Pier Ferdinando Casini, die sich schon als seine Nachfolger sahen, hat er ins Abseits gedrängt. Sein politischer Ziehsohn Angelino Alfano, mit dem er sich zerstritt, dient heute als Chef einer Kleinpartei in Renzis Kabinett. Derzeit gilt Stefano Parisi als Berlusconis Kronprinz, ein Pragmatiker und Manager, der kürzlich in die Politik gegangen ist und im Juni die Bürgermeisterwahl in Mailand knapp verlor. Parisi soll, beginnend mit einem Parteikonvent kommende Woche in Mailand, Forza Italia neue Kraft einflößen und die ganze bürgerliche Rechte wiederbeleben. Doch die Granden in Berlusconis Partei stellen sich gegen ihn. Manche zweifeln zudem an Parisis Elan. Und Berlusconis Unterstützung ist nur halbherzig. Da wird es schwer, Renzi herauszufordern.

Auch die in Teilen rechtsradikale Partei Lega Nord und ihr Anführer Matteo Salvini haben an Schwung verloren. Der Europa-Feind und Wladimir-Putin-Freund Salvini galt noch vor einem Jahr als kommender starker Mann der Rechten. Doch seine Strategie, die Lega Nord von einer regionalen zu einer nationalen Partei zu machen, geht nicht auf. Die Italiener im Süden haben nicht vergessen, dass die Lega jahrzehntelang gegen sie agitierte.

"Die Macht verschleißt nur den, der sie nicht hat" - dieses Bonmot des früheren Spitzenpolitikers Giulio Andreotti bewahrheitet sich gerade an den italienischen Oppositionsparteien. Doch das bedeutet nicht, dass Renzi außer Gefahr wäre. Das Reservoir der italienischen Protestwähler bleibt groß. Stimmen sie geschlossen gegen ihn, geht er unter.

© SZ vom 09.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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