Israel:Von Ramallah nach Rom

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Die Ehefrau des palästinensischen Hungerstreik-Anführers Marwan Barghuti organisiert seit Jahren den Kampf um seine Freilassung. Sie ist Anwältin und Mutter von vier Kindern. (Foto: Nasser Nasser/AP)

Die Frau des inhaftierten Palästinensers und Streikführers Marwan Barghuti bittet den Papst um Hilfe. Rund 880 Häftlinge befinden sich seit 25 Tagen im Hungerstreik.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Nun hat sie dem Papst einen Brief geschrieben, um Hilfe zu ersuchen, "bevor es zu spät ist". Gott und die Welt spannt sie ein, wenn es darum geht, die Aufmerksamkeit der Außenwelt auf das Schicksal ihres Mannes zu lenken - auf Marwan Barghuti, den palästinensischen Volkshelden, der in Israel zu lebenslanger Haft verurteilt wurde und gerade im Gefängnis einen Hungerstreik anführt. Seit er 2002 hinter Gitter kam, kämpft Fadwa Barghuti draußen an vorderster Front für seine Freilassung. Doch die vergangenen Wochen seit dem Beginn des Hungerstreiks am 17. April, so hat sie gesagt, waren die härtesten in all den Jahren.

Gesehen hat sie ihn zuletzt Anfang April. Alle 14 Tage darf sie ihn besuchen, normalerweise. 45 Minuten haben sie dann Zeit zum Reden - übers Telefon, weil eine Glasscheibe sie trennt. Doch mit Beginn des Hungerstreiks wurde Marwan Barghuti in ein Gefängnis nahe Haifa verlegt und in Einzelhaft genommen. Nicht einmal seine Anwälte haben ihn seither gesehen. Doch je einsamer es um ihn in der Zelle wird, desto lauter trommelt draußen seine Frau um Unterstützung.

Ständig ist sie gefragt - und ihr Wort hat Gewicht. Als die israelische Gefängnisverwaltung in dieser Woche ein Video veröffentlichte, das Marwan Barghuti beim heimlichen Verzehr eines Schokoriegels zeigen soll, da kam viel Häme hoch in den sozialen Medien über den Hungerstreikenden als Heuchler. Doch dass am Ende die Stimmung unter den Palästinensern nicht kippte und die Solidarität erhalten blieb, ist wohl maßgeblich ihrem Auftritt zu verdanken. In Ramallah trat sie sogleich vor die Presse und geißelte das Video als Fälschung, die dazu gedacht sei, die Moral der Häftlinge zu brechen. Doch das Gegenteil werde geschehen, prophezeite sie - und bis jetzt zumindest hat sie recht behalten. Der Streik geht weiter, mit offenem Ende.

Dabei liegt ihr eigentlich der große Auftritt nicht. Anders als ihr Mann ist sie nicht zum Volkstribun geboren. Während er sein Leben schon früh der palästinensischen Sache widmete, zog sie vier Kinder groß, weitgehend allein, weil Marwan Barghuti oft schon im Gefängnis war und zwischendurch auch mal im erzwungenen Exil. Jura hat sie studiert und als Anwältin gearbeitet, Frauenrechte sind ihr Fachgebiet. Doch seit vielen Jahren schon geht es bei ihrer Arbeit nur noch um ihren Mann. "Man kann sich nicht aussuchen, welche Richtung das Leben nimmt", hat sie dazu einmal im SZ-Interview gesagt.

Dutzende Länder hat sie schon bereist, um Solidaritätsaktionen zu koordinieren. In Ramallah hat sie sich in den Revolutionsrat der Fatah wählen lassen, auch hier spricht sie in seinem Namen. Sie residiert in einem Büro, in dem sie von Bildern und Postern ihres Mannes umgeben ist. Sie räumt ein, dass sie sich ein ruhiges Leben mit ihm jenseits der Politik wünschen würde. Wenn er nur freikäme, so hat sie einmal bekannt, dann wäre sie auch gern bereit, mit ihm - wenn es nötig ist - ins Exil zu gehen. Aber sie weiß auch, dass es für ihn wohl niemals ein Leben ohne Politik geben könnte, und dass bis auf Weiteres auch keine Chance auf Freiheit besteht.

© SZ vom 12.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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