Israel:Verteidigungsminister mit der Abrissbirne

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Avigdor Lieberman ist ein Mann, der zur eigenen Profilierung gerade erst den Moralkodex der Armee verhöhnt hat. Er bekommt dieses Amt, weil es gerade ins Machtspiel passt. Das ist ein verheerendes Signal.

Von Peter Münch

In Israel wächst zusammen, was zusammengehört: Die rechte Regierung erlaubt sich einen weiteren Rechtsruck, Premierminister Benjamin Netanjahu holt seinen alten Partner Avigdor Lieberman wieder in die Koalition, diesmal als Verteidigungsminister. Die beiden fahren, mit Pausen, schon seit zwei Jahrzehnten Tandem, sie küssten und sie schlugen sich, und gewiss haben sie sich gegenseitig verdient. Um Israel allerdings kann es einem bange werden bei diesem Bündnis.

Denn Lieberman komplettiert eine Regierung, in der bisher schon die Scharfmacher den Ton angegeben haben. Nun kann er noch eine kräftige Prise Rassismus und Unberechenbarkeit dazu würzen. Die Gräben innerhalb der israelischen Gesellschaft dürfte das noch vertiefen. Nicht ohne Grund warnte der selbst als stramm rechts bekannte Verteidigungsminister Mosche Jaalon vorige Woche bei seinem Rücktritt vor "Extremisten", die das Land übernommen hätten. Geopolitisch verabschiedet sich Israel in ein Paralleluniversum, zu dem selbst die engsten Verbündeten in Washington und Berlin kaum noch Zugang finden.

Die einzige Hoffnung könnte sein, dass Netanjahu und Lieberman nicht ideologisch, sondern pragmatisch regieren. Schließlich haben beide in der Vergangenheit oft genug bewiesen, dass sie zum Machterhalt bereit sind, die liebste Position zu räumen oder den besten Freund über Bord zu werfen. Auf Knopfdruck können sie poltern oder auch säuseln, und bei der Vorstellung ihrer Koalition zeigten sie sich nun, wenig verwunderlich, von ihrer weichen Seite. Viel war von Verantwortung und Maßhalten die Rede, und als sie dann noch ihren Friedenswillen bekundeten, wechselten sie schelmisch fürs internationale Publikum ins Englische.

Auf Knopfdruck poltern, auf Knopfdruck säuseln

So viel Show muss sein, ein paar Geigen dazu wären schön gewesen, aber glaub-würdig ist das nicht. Gewiss, es gab einmal das Diktum, dass nur die Rechten Israel den Frieden bringen könnten. Für diese Ultra-Rechten aber gilt dies nicht mehr. Denn erstens hat die Regierung eine klar friedensfeindliche Agenda. Sie setzt auf Siedlungsbau und Landnahme im Westjor-danland statt auf die Zwei-Staaten-Lösung mit den Palästinensern. Und zweitens dürfte auch ihr gnadenloser Machterhaltungs-Pragmatismus Netanjahu und Lieberman schneller in den nächsten Krieg als auf den Friedenspfad führen. Bislang jedenfalls haben beide an der Wahlurne eher profitiert von den Gaza-Schlachten, die sie gemeinsam geschlagen haben. Und Gründe für einen neuen Krieg gibt es stets genug.

Man sollte diese Regierung strikt an ihren Taten messen, und kommt dabei nicht um die Erkenntnis herum, dass sie auf allen Ebenen daran geht, den israelischen Staat umzubauen. Erziehungsminister Naftali Bennett von der Siedlerpartei Jüdisches Heim lässt als ideologische Investition in die Zukunft die Schulbücher auf Linie bringen, seine Justiz-Kollegin nimmt das Oberste Gericht aufs Korn, die Kultusministerin koppelt Fördergelder an die rechte Gesinnung. All das jedoch ist nichts dagegen, dass Lieberman nun erlaubt wird, die Axt an der Armee anzulegen.

Die Armee, in der jeder junge Israeli dient, ist der größte gemeinsame Nenner dieses Volkes. Bislang war es selbstverständlich, sie aus den politischen Ränkespielen herauszuhalten. Nun aber wird ein Mann zum Verteidigungsminister ernannt, der stets Politik mit der Abrissbirne betrieben und zur eigenen Profilierung gerade erst den Moralkodex der Armee verhöhnt hat, als er einen wegen Totschlags angeklagten Soldaten zum Helden erhob. Er bekommt dieses verantwortungsvolle Amt, weil es gerade ins Machtspiel passt. Das ist ein verheerendes Signal - und zugleich sehr konsequent.

© SZ vom 27.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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