Israel: Siedlerproteste:"Bibi, wir bauen mit dir oder ohne dich"

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Tausende Israelis haben gegen den Baustopp in den Siedlungen demonstriert. In der Kritik: Die Regierung Netanjahu und die USA.

Peter Münch, Jerusalem

Tausende Israelis haben am Mittwochabend in Jerusalem nahe der Residenz von Premierminister Benjamin Netanjahu gegen den zehnmonatigen Baustopp in den Siedlungen protestiert, den die Regierung verfügt hat. Der Zorn der Demonstranten richtete sich sowohl gegen den eigenen Regierungschef wie auch gegen die US-Administration, auf deren Druck hin Netanjahu gehandelt hatte.

Tausende Israelis haben in Jerusalem nahe der Residenz von Premierminister Benjamin Netanjahu gegen den zehnmonatigen Baustopp in den Siedlungen protestiert, (Foto: Foto: AP)

Transparente wurden hochgehalten, auf denen der israelische Premier des Verrats geziehen und US-Präsident Barack Obama aufgefordert wurde, sich aus Israels Angelegenheiten herauszuhalten. Ein Redner sagte unter großem Beifall der Menge, "Bibi, wir bauen mit dir oder ohne dich."

Die Enttäuschung über "Bibi" Netanjahu ist so groß, weil seine rechtsnationale Regierung von vielen der insgesamt 300.000 Siedlern im Westjordanland ins Amt gewählt worden war. Zu der Demonstration hatte der Siedlerrat "Yesha" aufgerufen und die Anreise mit 200 Bussen aus dem ganzen Land und den besetzten Gebieten organisiert. "Wir wollen den Likud-Ministern die klare Botschaft geben, dass das, was sie getan haben, schrecklich und unakzeptabel ist", sagte ein Siedlersprecher. Die Organisatoren sprachen von "Zehntausenden Demonstranten".

Auch zahlreiche Parlamentarier aus dem Regierungslager sprachen auf der Veranstaltung. Angesichts der heftigen Kritik innerhalb seiner eigenen Likud-Partei hatte Netanjahu bereits mehrfach versucht, die Wogen zu glätten. Er nannte die Sieder "unsere Brüder" und versprach, dass nach zehn Monaten in jedem Fall die Siedlungen weiter ausgebaut werden sollen.

Bewirkt hat das bislang allerdings nichts. Die Demonstration ist der erste Höhepunkt einer Kampagne gegen die Regierungsentscheidung, nachdem es in den vergangen Tagen an mehreren Schauplätzen im Westjordanland zu teilweise gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Siedlern und Sicherheitskräften gekommen war. Rechte Siedlerkreise drohen überdies damit, sich an den Palästinensern für den Baustopp zu rächen. "Wenn es keine Ruhe für die Juden gibt, gibt es auch keine Ruhe für die Araber", erklärte ein radikaler Rabbiner namens Yosef Elitzur aus der Siedlung Yitzhar im Westjordanland. In der Nähe dieser Siedlung gingen bereits bei einem nächtlichen Überfall zwei Autos von Palästinensern in Brand auf.

Pünktlich zu ihrer Demonstration bekamen die aufgebrachten Siedler auch noch politische Rückendeckung aus der Regierung. Außenminister Avigdor Lieberman, der selbst in einer Siedlung im Westjordanland lebt, aber den Regierungsbeschluss über einen zehnmonatigen Baustopp mitgetragen hatte, nannte den Protest "legitim" und "natürlich". Allerdings mahnte er, dass der Widerstand in den "gesetzlichen Grenzen" bleiben müsse.

© SZ vom 10.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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