Israel:Schokoriegel mit Folgen

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Marwan Barghuti rief Mithäftlinge hinter Gittern auf, das Essen zu verweigern. Nun taucht ein peinliches Video auf.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Man sieht ihn in seiner Zelle, gefilmt von oben. Marwan Barghuti, der prominenteste unter den palästinensischen Häftlingen, schlurft durch den engen Raum, zieht sich zurück auf die Toilette, packt einen Schokoriegel aus - dann isst er ihn. Die israelische Gefängnisverwaltung hat das Video veröffentlicht, mit einem weiteren, das den Häftling angeblich ein paar Tage vorher beim heimlichen Verspeisen zweier Kekse zeigt. Das soll beweisen, dass Barghuti den Hungerstreik bricht, zu dem er seine Mitgefangen vor drei Wochen aufgerufen hat.

Der Kampf geht damit in eine neue Runde. Als Strafe für den Hungerstreik war Barghuti in ein Gefängnis nahe Haifa verlegt und in Einzelhaft genommen worden. Seine Anwälte haben ihn seitdem noch nicht besuchen können. Doch die Streikfront steht: Zu Beginn, am 17. April, waren es gut tausend Palästinenser, die eine Nahrungsaufnahme verweigerten, um bessere Haftbedingungen zu erzwingen. Nach israelischen Angaben sind es nun noch knapp 900, nach palästinensischen Angaben deutlich mehr, weil sich noch weitere Gefangene angeschlossen hätten. Doch dieses Video, so viel ist klar, soll der von einer breiten Solidaritätswelle draußen getragenen Bewegung einen Schlag versetzen.

Den Ton dafür gibt der israelische Minister Gilad Erdan vor, zuständig für die öffentliche Sicherheit. Er wirft Barghuti vor, seine Mitgefangenen "zynisch auszunutzen", indem er sie in einen leidvollen Streik treibe "und selbst seinen Appetit nicht zügeln" könne. Im Armeeradio bekennt der Minister überdies, dass "große Anstrengungen unternommen worden seien, um ihn in diese Situation zu bringen, und das hat Ergebnisse gezeitigt". Ins Detail wollte Erdan nicht gehen, doch in den israelischen Medien wird daraus und aus anderen Quellen gefolgert, dass die Kekse und Riegel als Köder für Barghuti ausgelegt wurden. Dies wäre dann die regierungsamtliche Fortsetzung eines Happenings rechtsgerichteter Aktivisten, die sich zu Beginn des Hungerstreiks zu einem Grillfest vor dem Ofer-Gefängnis im Westjordanland versammelt hatten. Ihr erklärtes Ziel: mit den Kebab-Dämpfen die hungernden Häftlinge weichzugrillen.

Die Wahl der Mittel zeigt, um wie viel es geht bei dem Hungerstreik. Barghuti, der in Israel als ein Drahtzieher der Zweiten Intifada zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, wird auf palästinensischen Straßen als Held gefeiert. Wenn er nun als Heuchler entlarvt wird, dürfte das dem Widerstand die Spitze nehmen. Diese Brisanz ist sofort auch in Ramallah erkannt worden. Dort wird die Echtheit des Videos angezweifelt. Barghutis Anwalt spricht von einem "Psycho- und Medienkrieg", die PLO von einem "israelischen Spiel", und auch Barghutis Ehefrau Fadwa verdammt das Video als "verabscheuungswürdig" und "gefälscht". Letztlich zeige der Vorfall nur die "Schwäche" Israels gegenüber der "Entschlossenheit der Häftlinge".

© SZ vom 09.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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