Israel:Momente der Ruhe am Tempelberg

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Nach zwei Wochen der Krise verlaufen die muslimischen Freitagsgebete in Jerusalem zunächst ohne Zwischenfälle.

Von Moritz Baumstieger, München

Unter palästinensischer Flagge protestieren Muslime vor dem Felsendom gegen die Sicherheitsvorkehrungen. (Foto: Mahmoud Illean/AP)

Der Zug der Gläubigen,der am Freitag durch die engen Gassen von Jerusalems Altstadt auf den Tempelberg strömte, war ein Zug von Frauen und älteren Herren. Israels Polizei hatte zu einem altbewährten Mittel gegriffen, und alle Männer unter 50 Jahren vom Gebet ausgeschlossen - zum Steineschmeißen und zu Randalen neigen eher die Jüngeren, so das Kalkül der Sicherheitskräfte. Es schien aufzugehen: Die Lage rund um den Tempelberg blieb zumindest bis Freitagnachmittag ruhig,. Weder beim Morgengebet, noch beim großen Freitagsgebet am Mittag kam es zu Gewalt. Und das, obwohl die Jungen trotz des Banns durch die Polizei gekommen waren: Zu Tausenden beteten sie am Freitag in den Straßen, vor allem vor dem Löwen- und dem Damaskustor.

Am Donnerstagnachmittag war die Lage nach dem Gebet noch eskaliert, es kam zu Ausschreitungen mit mehr als hundert Verletzten. Dabei hatten die Zeichen in der fast 14 Tage andauernden Krise um das Heiligtum im Herzen Jerusalems das erste Mal auf Entspannung gestanden: Israels Regierung hatte eingewilligt, mit den kurz zuvor installierten Überwachungskameras auch die letzten Sicherheitsmaßnahmen wieder zu entfernen, die nach einem tödlichen Angriff auf zwei israelische Polizisten durch palästinensische Attentäter am 14. Juli angebracht worden waren.

Damit hatte das Kabinett Netanjahu die zentrale Forderung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und dem Großmufti von Jerusalem,Muhammad Ahmad Hussein, erfüllt: Sie sahen in den ohne Absprache aufgebauten Metalldetektoren, Absperrgittern und Kameras eine Verletzung des ohnehin wackeligen Status quo und riefen die Gläubigen auf, das Heiligtum vorerst nicht zu betreten. Die stattdessen auf den Straßen stattfindenden Gebete schlugen immer wieder in Gewalt um - viele Palästinenser mutmaßten, Israel gehe es nicht um mehr Sicherheit, sondern um mehr Kontrolle über den Ort, an dem einst der jüdische Tempel stand.

In Amman wächst die Verstimmung über Netanjahu. Jordaniens König ist sauer

Am Freitag meldete die israelische Polizei zur Sicherheit noch einmal auf Twitter: "Die Lage auf dem Berg ist wieder zum ursprünglichen Status zurückgekehrt." Man werde aber "nicht gestatten, dass der Platz zu Unordnung, Randale und Konfrontation mit der Polizei genutzt wird". Während das in Jerusalem funktionierte, konnte anderswo von Frieden keine Rede sein: In mehreren Städten des Westjordanlandes wie Hebron und Nablus kam es zu Zusammenstößen, bei Bethlehem griff ein Palästinenser israelische Soldaten an, die ihn schließlich in Notwehr erschossen. Auch an der diplomatischen Front droht der Tempelberg-Konflikt noch einmal aufzuflammen.

Jordaniens König Abdallah II. verlangte laut Mitteilung seines Hofes, dass ein Wachmann der israelischen Botschaft vor ein jordanisches Gericht gestellt werden müsse. Der Mann hatte am Sonntag in Amman einen Handwerker erschossen, der ihn mit einem Schraubenzieher angriff und zudem einen Unbeteiligten getötet.

Als Israel sein Botschaftspersonal abziehen wollte, ließ Jordanien den Mann nicht ausreisen - er konnte erst zurückkehren, als sich Netanjahu und Abdallah in einem Telefongespräch auf den Abbau der Metalldetektoren am Tempelberg geeinigt hatten. Das weitere Vorgehen Netanjahus sei jedoch "absolut inakzeptabel", meint Abdallah nun. Für besondere Irritationen hatte ein Video gesorgt, in dem Israels Premier den zurückgekehrten Wachmann umarmt. Nun forderten Hunderte Demonstranten in Amman die Schließung der Botschaft Israels.

© SZ vom 29.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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