Israel:Leise Resignation

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Berlin schaut mit Sorge auf Israels Zukunft. Die Fronten dort sind verhärtet, kaum jemand setzt sich mehr für die Zwei-Staaten-Lösung ein.

Von Stefan Braun, Berlin

Wenn sich die Regierungen aus Israel und Deutschland am Dienstag zu Konsultationen in Berlin treffen werden, dürfte rein äußerlich das meiste so sein wie immer: freundliche Begrüßung, freundliche Gespräche, freundlicher Abschied. Drum herum allerdings hat sich das Klima verändert. Dem einstigen Gefühl großer Freude ist in der Bundesregierung längst große Sorge gewichen. Das Land, das zu den engsten Verbündeten zählt, wirkt aus Berliner Sicht in sich gekehrt, hart, abgrenzend. Und es handelt, als habe es jeden Versuch, Frieden zu erreichen, aufgegeben.

Beim Treffen am Dienstag wird das nicht zum Konflikt führen. Es wird sich eher wie eine schleichende Resignation zeigen. Immer mehr Mitglieder im Berliner Kabinett, im deutschen Parlament, in den Verwaltungen der Bundesregierung sorgen sich um die Zukunft des befreundeten Landes. Wie zu hören ist, fürchten auch die größten Optimisten, dass der Friedensprozess, der schon lange kein richtiger Prozess mehr war, für immer zerstört ist.

Die deutsche Regierung fürchtet um die Zwei-Staaten-Lösung

Zu hoffnungslos scheinen die Signale, die von einer palästinensischen Führung ausgehen, die "erschöpft wirkt und nur noch den Stillstand verwaltet", wie es ein hoher Diplomat ausdrückt. Als noch gravierender freilich gilt in der deutschen Hauptstadt, dass sich in der israelischen Regierung so gut wie niemand mehr für eine Zwei-Staaten-Lösung einsetzt. Damit stirbt, was seit dem Osloer Abkommen von 1993 als großes gemeinsames Ziel galt - und in Berlin die Hoffnung nährte, ein jüdisches und demokratisches Israel könnte alsbald in eine friedliche Zukunft einschwenken. Schön war die Zeit.

Stattdessen verhärten sich in Israel die Fronten, und in Berlin erschöpfen sich die Politiker in Beschwörungen, die ihnen allmählich selbst als schwach und hilflos erscheinen. Das gilt wohl, obwohl sie es niemals öffentlich einräumen würde, auch für Angela Merkel. Die Bundeskanzlerin hat in den gut zehn Jahren ihrer Amtszeit immer wieder versucht, den israelischen Premier Benjamin Netanjahu vom Sinn und Nutzen echter Friedensgespräche zu überzeugen. Dazu versicherte sie ihm nicht nur immer wieder ihre Unterstützung. Sie hielt in der Knesseth in Jerusalem auch ein flammendes Plädoyer für die deutsch-israelische Freundschaft und bezeichnete es als deutsche Staatsräson, für Israels Sicherheit einzustehen. All das verband Merkel mit der Hoffnung, dass Bezeugungen der Solidarität auch den Mut der Israelis vergrößern könnten, in Friedensgespräche einzutreten - mit einem Siedlungsstopp auf israelischer und einem Gewaltstopp auf palästinensischer Seite.

Das Ergebnis ist ernüchternd. In Israel hat ihr das zwar gute persönliche Umfragewerte eingebracht. Aber das Land ist weiter denn je entfernt von einer Aussöhnung. Im Gegenteil sind die Spannungen seit Wochen enorm, die Messerattacken von Palästinensern und die Konfiszierung von palästinensischem Ackerland durch die Israelis lassen Annäherungen unmöglich erscheinen. Aus deutscher Sicht verheißt das nichts Gutes: Sollte eine Zwei-Staaten-Lösung final vom Tisch sein, dann wird Israel auf absehbare Zeit seinen Charakter als jüdischer und demokratischer Staat verlieren, weil die Zahl der Palästinenser schon sehr bald die Zahl der Juden übersteigen wird. Mit allen Folgen.

Konkret belastet ist das deutsch-israelische Verhältnis zudem durch das jüngst in die Knesset eingebrachte Gesetz zur Reglementierung von Nichtregierungsorganisationen. Nach deutscher Lesart wird es auch die Arbeit deutscher politischer Stiftungen einschränken. Bedenken aus Berlin wurden in Jerusalem dennoch verworfen.

Spannend wird sein, wie Berlin am Dienstag ein anderes Reizthema ansprechen wird: die geplante Einladung des iranischen Präsidenten Hassan Rohani. Bislang hielt sich Berlin zurück, weil es vorher mit dem Iran-kritischen Netanjahu sprechen wollte. Dass die Bundesregierung auf eine Einladung verzichtet, gilt indes als unwahrscheinlich.

© SZ vom 16.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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