Israel: Knapper Ausgang der Wahl:Tzipi Livni überraschend gestärkt

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Die Parlamentswahl in Israel erweist sich als knappes Rennen: Laut ersten Prognosen liegt die Kadima-Partei von Außenministerin Livni knapp vor der Likud-Partei ihres ärgsten Rivalen Netanjahu - der gibt sich jedoch nicht geschlagen.

Thorsten Schmitz, Tel Aviv

Die Kadima-Partei von Außenministerin Tzipi Livni hat laut Prognosen am Dienstag bei der vorgezogenen israelischen Parlamentswahl überraschend mit knappem Vorsprung vor dem rechtsnationalen Likud von Oppositionsführer Benjamin Netanjahu gesiegt.

Ersten Ergebnissen zufolge kann sie sich freuen: Außenministerin Tzipi Livni. (Foto: Foto: AFP)

Allerdings beanspruchen sowohl Livni als auch Netanjahu das Amt des Premiers. Die Mitte-Partei Kadima von Livni kann offenbar mit bis zu 30 Mandaten im Parlament rechnen, das 120 Sitze hat. Der Likud kann auf 28 Mandate hoffen.

Der Vorsprung von Kadima war von keinem Umfrageinstitut vorhergesagt worden. Stets war dem Likud ein knapper Sieg prognostiziert worden. Vertreter des Likud äußerten sich skeptisch über die Verlässlichkeit der Prognosen und sagten, man müsse das vorläufige Endergebnis abwarten.

Netanjahu hat aber bereits das Amt des Regierungschefs für sich beansprucht. Das Ergebnis der Wahl beweise, dass Likud und das "nationale Lager" gewonnen hätten. Das Volk habe sich für eine Regierung unter Führung des Likud entschieden, sagte er.

Tatsächlich verfügen die rechten und religiösen Parteien offenbar über eine rechnerische Mehrheit von bis zu zehn Mandaten im künftigen Parlament. Staatspräsident Shimon Perez könnte daher Netanjahu mit der Regierungsbildung beauftragen, falls er glaubt, dass dessen Koalition stabil sein könnte.

Sollte Livnis Partei stärkste Fraktion bleiben, könnte aber auch sie von Staatspräsident Perez mit der Regierungsbildung beauftragt werden und hätte dafür sechs Wochen Zeit. Die Koalitionsbildung dürfte sich angesichts des knappen Wahlausgangs schwierig gestalten.

Da Livni, die das Amt des Premiers am Dienstag ebenfalls beanspruchte, keine deutliche Mehrheit errungen hat, wäre sie auf eine Koalition angewiesen. Der Vorsitzende der in der Wahl gestärkten russischen Immigrantenpartei "Unser Haus Israel", Avigdor Lieberman, scheidet als Koalitionspartner möglicherweise wegen seiner antiarabischen Politik und seiner Unversöhnlichkeit mit den Palästinensern aus.

Auch dass Netanjahu der Koalition von Livni beitreten könnte, scheint unwahrscheinlich zu sein, weil auch der Likud-Chef die Politik Livnis ablehnt. Livni hatte im vergangenen Jahr die israelisch-palästinensischen Friedensgespräche geleitet. Netanjahu hatte im Wahlkampf mehrfach erklärt, er werde die Friedensgespräche im Falle eines Wahlsieges nicht fortsetzen.

Livni war schon im Oktober mit dem Versuch gescheitert, als neue Vorsitzende der Kadima-Partei eine Regierung zu bilden, was letztlich zu den Neuwahlen geführt hatte. Gelänge ihr eine Regierungsbildung, könnte die 50-Jährige nach Golda Meir die zweite Frau an der Spitze einer israelischen Regierung sein.

Mit dem vorläufigen Endergebnis wurde erst in den frühen Morgenstunden des Mittwoch gerechnet. Als sicher gilt, dass die rechtsstehende Partei Liebermans dazugewonnen hat. Sie hat mit 15 vorhergesagten Mandaten vermutlich die Arbeitspartei von Ehud Barak überholt.

Die Palästinenser zeigten sich enttäuscht über den Wahlausgang. "Es ist offensichtlich, dass die Israelis für eine Lähmung des Friedensprozesses gestimmt haben", sagte der palästinensische Nahost-Unterhändler Sajeb Erakat der Nachrichtenagentur AFP.

Bei den Prognosen ist allerdings Vorsicht angebracht: Bereits 1996 hatte bei der Parlamentswahl Prognosen zufolge Perez, damals in der Arbeitspartei, die Wahl für sich entschieden. Bei Auszählung aller Stimmen war wenige Stunden später Netanjahus Likud als stärkste Fraktion hervorgegangen.

© SZ vom 11.02.08/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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