Israel:Im Schatten des Hakenkreuzes

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Auf dem Tel Aviver Habima-Platz erinnern lebensgroße Figuren an die Fußballer, die von den Nationalsozialisten vertrieben, verfolgt, ermordet wurden. (Foto: Felix Rettberg)

Eine deutsch-israelische Ausstellung in Tel Aviv zeigt das Schicksal jüdischer Fußballer Nazi-Deutschland. Zwischen ihrem Erfolg und ihrer Verfolgung liegt der dunkelste Graben der deutschen Geschichte.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Als elf Freunde stehen sie da, aber in Wahrheit sind sie elf Leidensgenossen. Es ist eine Mannschaft der Verfolgten, die nun als lebensgroße Figuren auf dem Tel Aviver Habima-Platz stehen, da, wo heute die Jungs so gern kicken. Elf Männer, die einst viel für den deutschen Fußball getan haben - und dann von den Nationalsozialisten ins Abseits gestellt wurden, vertrieben, verfolgt, ermordet.

Die Ausstellung, die nun rund um den israelischen Holocaust-Gedenktag auf dem öffentlichsten aller Tel Aviver Plätze präsentiert wird, zeigt das Schicksal jüdischer Fußballer, Trainer und Funktionäre im Schatten des Hakenkreuzes. Zwischen ihrem Erfolg und ihrer Verfolgung liegt der tiefste und dunkelste Graben der deutschen Geschichte. "Herausgeschrieben und ausradiert" worden" seien sie aus den deutschen Sport-Annalen, sagt Lorenz Pfeiffer vom Institut für Sportwissenschaften der Hannoveraner Leibniz-Universität. Selbst in Israel seien sie bis heute zumeist völlig unbekannt. Dies zu ändern ist eines der Ziele dieser Ausstellung, die Pfeiffer zusammen mit dem Historiker Mosche Zimmermann von der Hebräischen Universität Jerusalem, der DFB-Kulturstiftung und dem Tel Aviver Goethe-Institut auf die Beine gesellt hat. Darüber hinaus aber wird auch gezeigt, wie die Aufarbeitung der Geschichte neue Räume öffnen kann.

Denn Fußball verbindet die Menschen. Die Stars werden heute weltweit gefeiert und global vermarktet, die Mannschaften spielen im diplomatischen Dienst. Der Stand der deutsch- israelischen Beziehungen lässt sich durchaus auch daran ablesen, ob die Israelis der deutschen Fußballelf die Daumen drücken. "Die steigenden Sympathiewerte für Deutschland zeigen sich auch beim Fußball - und andersherum", sagt Mosche Zimmermann.

In den 1990er-Jahren war in Israel das Image Deutschlands noch im Keller und die Nationalmannschaft firmierte gemeinhin als "Panzer"-Truppe. Spätestens der ehemalige Bundestrainer Jürgen Klinsmann und Bundeskanzlerin Angela Merkel, so meint Zimmermann, haben daran viel verändert. Als die Deutschen bei der WM 2010 im Halbfinale standen, seien sie einer Umfrage zufolge schon beliebter gewesen als die Konkurrenten aus Uruguay und Spanien, nur die Niederländer hatten in Israel noch mehr Fans. Und all das, so glauben die Ausstellungsmacher, lässt sich auf beiden Seiten noch vertiefen, wenn klar wird, wie verflochten die Wurzeln der beiden Fußballnationen tatsächlich sind.

Bis 1933 feierten die Fans Max Solomon in Aachen, 1942 wurde er in Auschwitz ermordet

Die elf Männer vom Habima-Platz stehen dabei stellvertretend für Tausende jüdische Sportler in Deutschland. Allein 20 000 jüdische Fußballer waren noch bis 1938 in eigenständigen Vereinen aktiv, erzählt Pfeiffer. Aus dem offiziellen Spielbetrieb des Nazi-Reichs jedoch waren sie gleich nach der Machtübernahme all ihrer Verdienste zum Trotz brutal ausgegrenzt worden - so wie Max Solomon, der bei seinem Heimatverein Alemannia Aachen bis 1933 gefeiert und 1942 in Auschwitz ermordet wurde. Er steht nun in Tel Aviv neben Julius Hirsch, der ein Jahr später in Auschwitz starb. Zuvor hatte Hirsch nicht nur für sein deutsches Vaterland im Ersten Weltkrieg gekämpft und war für seinen Mut mit dem Eisernen Kreuz dekoriert worden. Er war auch für die deutsche Nationalmannschaft aufgelaufen, wo er für seine "raketenartigen Schüsse" gelobt wurde.

Grandiose Spieler waren das, und Gottfried Fuchs hält bis heute einen sagenhaften Rekord: Zehn Tore schoss er in einem Länderspiel gegen Russland bei den Olympischen Spielen 1912. Sepp Herberger nannte ihn später "den Franz Beckenbauer meiner Jugend". 1937 musste er aus Deutschland fliehen, in Kanada fand er einen sicheren Platz. Natürlich ist auch Kurt Landauer im Team, der den FC Bayern München als Präsident vor und nach der Nazi-Zeit führte - und dazwischen erst nach Dachau deportiert worden war und dann in die Schweiz entkommen konnte.

Die Brücke zwischen dem deutschen und dem israelischen Fußball baute schließlich Emanuel "Eddy" Schaffer, bis heute Israels erfolgreichster Nationaltrainer. Nach der Flucht vor den Nazis kehrte er 1958 zum Trainerlehrgang an die Kölner Sporthochschule zurück, als Schüler und Freund von Hennes Weisweiler. In seiner darauf folgenden Zeit als Nationalcoach nannten sie ihn in Israel "den Deutschen", und warum das so war, zeigt eine Anekdote direkt vom Fußballplatz. Schaffer kündigte seiner Mannschaft an, dass von jetzt an dreimal trainiert werde. "An welchen Tagen denn", fragten die Spieler. Er antwortete: "Dreimal jeden Tag."

© SZ vom 04.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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