Israel:Ganz alte Schule

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Israels Premier Benjamin Netanjahu (rechts) nimmt am Dienstag in Moskau an einer Parade für gefallene, russische Soldaten teil. (Foto: Maxim Shipenkov/Reuters)

Premier Netanjahu hat einen neuen Freund gefunden: Wladimir Putin. Für den russischen Präsidenten ist der Nahe Osten eine Region, in der er seinen Weltmachtanspruch zeigen kann.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Die Ehrengarde stand wieder Spalier am Flughafen, alles so wie vor ein paar Wochen, alles so wie immer. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu konnte also hochzufrieden mit dem Empfang in Moskau aus dem Flugzeug steigen, und weil man guten Freunden auch gern mal seine Frau vorstellt, hat er diesmal Sara mitgebracht zum Besuch beim russischen Präsidenten Wladimir Putin. Dass es eine wichtige Reise wird, hatte der Regierungschef aus Jerusalem schon vorher klargestellt mit einer Lobeshymne auf diese Partnerschaft. Wie zentral Russland für ihn geworden ist, zeigt aber vor allem die Zahl seiner Treffen mit Putin: Viermal schon sind die beiden zusammengekommen in den vergangenen neun Monaten. Zum Vergleich: Barack Obama, den Präsidenten der israelischen Schutzmacht Amerika, hat Netanjahu nur einmal getroffen in dieser Zeit.

Der Premier erwähnte nicht, dass Russland auch heute noch die Feinde von Israel aufrüstet

Das sieht nach einer neuen Männerfreundschaft aus. Aber in der Politik geht es bekanntlich auch bei Freundschaften immer um Interessen - und die sind tatsächlich gerade so vielfältig auf beiden Seiten, dass sie die ebenfalls vorhandenen Probleme einfach überstrahlen.

Für Putin ist der Nahe Osten eine jener Regionen, in denen er den russischen Welt-machtanspruch gut gepanzert demons-triert. Am deutlichsten ist dies durch das militärische Eingreifen in Syrien geworden, und hier ergibt sich ein direkter Berührungspunkt mit Israel. Als im September vorigen Jahres die Welt noch rätselte über die russische Intervention im Bürgerkriegsland, da reiste Netanjahu schon mit reichlich Geheimdienstmaterial im Gepäck zu einem Blitzbesuch nach Moskau. Mit Putin handelte er eine Art Sicherheitskooperation aus, die bis heute verhindert, dass sich die beiden Mächte im Grenzgebiet auf den Golanhöhen in die Quere kommen.

Syrien stand auch beim Gespräch im Kreml am Dienstag oben auf der Tagesordnung, doch überdies dürfte Netanjahu auch daran gelegen sein, Russland bei seinem Feldzug gegen die französische Friedensinitiative auf seine Seite zu bringen. Nebenher ist noch Geschäftliches zu regeln von der Milchwirtschaft über High Tech bis zu einem Pensionsabkommen, das einen Teil jener rund eine Million Israelis betrifft, die in den Neunzigerjahren aus der Sowjetunion eingewandert waren. Diese Immigranten hat Netanjahu natürlich auch als Wähler im Blick. In Moskau nannte er sie "die menschliche Brücke" zwischen den beiden Ländern.

Ganz offiziell geht es bei diesem zweiein-halbtägigen Besuch überdies ums Feiern. Begangen nämlich wird das Silberjubiläum der diplomatischen Beziehungen. Als kleine Aufmerksamkeit zum 25-Jährigen schenkt Putin als Romantiker der ganz alten Schule Netanjahu einen Panzer. Es handelt sich dabei um ein israelisches Modell, das 1982 von syrischen Truppen im Libanon erbeutet worden war und anschließend im Museum in Moskau gelandet war. Nun darf ihn Netanjahu als Zeichen der neuen Zeit wieder heimholen. Die Dankbarkeit darüber kleidete der Premier bereits am Sonntag in pathetische Worte. Bei einer Rede in Jerusalem erinnerte er an den Sechs-Tage-Krieg vor nunmehr 49 Jahren. Damals seien "alle feindlichen Armeen von der Sowjetunion bewaffnet, trainiert und unterstützt" worden, sagt er. Und fügt hinzu: "Schaut auf den enormen Unterschied heute: Russland ist eine Weltmacht, und die Beziehungen zwischen uns werden immer enger."

Netanjahu vergaß - oder unterschlug - dabei allerdings, dass Russland auch heute noch die Feinde Israels aufrüstet. Der Erzfeind Iran zum Beispiel darf sich über die Lieferung des Raketenabwehrsystems S-300 aus Moskau freuen. Zudem kämpft Russland in Syrien nicht nur mit iranischen Truppen Seite an Seite, sondern auch mit der Hisbollah. Mit der in Syrien gewonnenen Kampferfahrung und neuen Waffen könnte die libanesische Miliz schon bald wieder Israel herausfordern. Als Gedankenstütze für den reisenden Regierungschef listete die Zeitung Haaretz überdies noch einmal auf, wie oft die Russen in jüngster Zeit an der diplomatischen Front in verschiedenen UN-Gremien gegen Israel gestimmt hatten.

Doch von so etwas will sich Netanjahu in Moskau offenbar nicht die gute Stimmung verderben lassen. Logisch erscheint es zwar nicht, dass er sich wegen des Atomabkommens mit Iran offen mit den USA angelegt hat und gleichzeitig Russland hofiert, das Israels Feinde aufrüstet. Aber der Premier aus Jerusalem betreibt Politik auch gern als Paradoxon: Alte Freundschaften oder die jährliche Militärhilfe von mehr als drei Milliarden Dollar aus den USA werden dabei auch einmal nach hinten gerückt, wenn eine neue Achse Vorteile verspricht. In Putin hat er dabei gewiss einen kongenialen Partner.

© SZ vom 08.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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