Israel:Dieses Jahr in Jerusalem

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"Jerusalem forever" heißt es, wenn Donald Trump in Israel um Stimmen von Menschen mit US-Pass wirbt. (Foto: Abir Sultan/dpa)

Berechenbare Clinton, eisenharter Trump: Der US-Wahlkampf ist in Israel großes Thema - beide Kandidaten wollen auch hier Stimmen holen.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Die Kippa ist bekannt als Kopfbedeckung des frommen jüdischen Mannes, doch bisweilen dient sie zugleich für Bekenntnisse ganz anderer Art. Es gibt Modelle mit allen erdenklichen Verzierungen von Fußballrauten bis zum militärischen Tarnmuster, und neuerdings gibt es auch welche, auf denen "Hillary" steht oder "Donald Trump 2016". Denn wenn Wahlkampf herrscht beim großen Verbündeten in den USA, dann lässt das auch in Israel keinen kalt. Und ebenso gilt umgekehrt, dass niemand Israel aus den Augen verlieren darf, der in den USA gewinnen will. Die stets betonte besondere Beziehung zwischen den beiden Ländern spiegelt sich also auch in diesem Präsidentschaftswahlkampf deutlich - auf verschiedenen Ebenen, und stets mit großer Intensität.

In Israel werden US-Wahlen vor allem unter der üblichen Frage betrachtet, wer wohl von den beiden Präsidentschaftskandidaten eher den Interessen des jüdischen Staates dienen wird. In Meinungsumfragen liegt dabei Trump stets vorn. Der hatte zwar zunächst einen Fehlstart hingelegt und die Israelis mit der Ankündigung irritiert, dass die amerikanischen Verbündeten künftig mit erheblich weniger Militärhilfe auskommen müssten. Doch dann hat er das Blatt schnell gewendet und unter anderem versprochen, dass er als Präsident die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen würde. Eine solche Ankündigung wärmt vielen in Israel das Herz, denn bislang ist der Anspruch auf Jerusalem als "ungeteilte Hauptstadt" international nicht anerkannt, weshalb die Botschaften in Tel Aviv ansässig sind. Vor allem aber hat Trump durch Hetztiraden gegen das Atomabkommen mit Iran gepunktet. Verstiegen hat er sich dabei zu der Aussage, dass Israel die Zerstörung drohe, falls er nicht zum Präsidenten gewählt werde. Als Retter des jüdischen Staats will er das Iran-Abkommen sogleich wieder einkassieren.

Clinton hat es als Befürworterin des in Israel höchst unpopulären Atomabkommens dagegen nicht leicht. Von ihr wird überdies auch in Sachen Friedensprozess eine Fortsetzung der Politik von Amtsinhaber Barack Obama erwartet - und der hat sich vor allem in rechten Kreisen unbeliebt gemacht, indem er Israel immer wieder wegen der Siedlungspolitik attackierte. Für Clinton spricht in Israel allein, dass sie die Berechenbarere von beiden ist.

In den Jerusalemer Regierungsbüros jedenfalls wird man derzeit mit großem Wohlgefallen beobachten, wie sich die US-Kandidaten mit Solidaritätsadressen in Richtung Israel zu überbieten versuchen. Clinton und Trump haben dabei jedoch weniger Jerusalem, sondern mehr die jüdischen Spender und die jüdischen Wähler in den USA im Blick. Die machen zwar nur zwei Prozent des gesamten Wahlvolkes aus, sind aber besonders in einigen Schlüsselstaaten wie Florida, Ohio oder Pennsylvania überproportional vertreten. Traditionell neigen die amerikanischen Juden eher den Demokraten zu. Trump aber baut darauf, dass die alte Verbundenheit bröckelt. Schließlich konnte Obama noch bei seinem ersten Wahlsieg 2008 überzeugende 78 Prozent der jüdischen Stimmen gewinnen. 2012 waren es nur noch 69 Prozent.

Kräftig Wahlkampf machen Trumps Leute in diesem Sinne sogar in Israel selbst. Hier geht es zwar nur um die Stimmen von schätzungsweise 200 000 Wählern mit doppelter Staatsbürgerschaft. Aber die werden heftig umworben von den "Republicans Abroad", die mittlerweile mehrere Wahlkampfbüros in Israel eröffnet haben. Insgesamt rechnet sich das Trump-Lager in Israel einen Stimmenanteil von mehr als 70 Prozent aus. Speziell im Blick haben die Anhänger des Milliardärs dabei die jüdischen Siedlungen im Westjordanland, wo sich Zehntausende US-Bürger niedergelassen haben.

Auffällig zurückhaltend ist einer, der sonst nicht zu den Leisetretern zählt: Israel Premier Netanjahu

Das Auffälligste in diesem ganzen Wahlkampfgetöse ist allerdings, dass einer ganz still ist, der sonst gewiss nicht zu den Leisetretern zählt: Benjamin Netanjahu, der israelische Premierminister, hat allein kurz zu Protokoll gegeben, dass sowohl Clinton als auch Trump gut wären für Israel. "Es ist egal, wer von beiden gewählt wird", sagte er, "die Unterstützung für Israel wird stark sein." Ganz anders als noch im Wahlkampf 2012, als er eindeutig seine Präferenz für den Republikaner-Kandidaten Mitt Romney erkennen ließ, bemüht er sich nun demonstrativ um Äquidistanz. Als er unlängst zur UN-Generalversammlung in New York weilte, stimmte er einem Treffen mit Trump erst zu, als auch eine Verabredung mit Clinton sicher war.

Insgeheim dürfte er zwar trotzdem dem Republikaner zuneigen, zumal Trump genau wie Israels Regierungschef selbst durch die Geldtöpfe des Kasino-Magnaten Sheldon Adelson gefördert wird. Doch diesmal will sich Netanjahu offenbar hüten, auf den falschen Kandidaten zu setzen. Schließlich soll die Zusammenarbeit in den nächsten Jahren auf jeden Fall besser werden als mit Obama.

© SZ vom 28.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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