Israel:Das Land bangt um Schimon Peres

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Letzter Vertreter der Gründergeneration: Schimon Peres, 93, hat seinen Glauben an Frieden in Nahost nie verloren. Nach einem Schlaganfall gilt sein Zustand als "ernst, aber stabil". (Foto: Baz Ratner/Reuters)

Der Ex-Präsident und Nobelpreisträger liegt im Krankenhaus. Der 93-Jährige ist der Letzte der israelischen Gründergeneration.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Es gibt Bedarf an Bulletins, und so meldeten sich am Mittwoch in schneller Folge die Mediziner zu Wort: Der Zustand von Schimon Peres, dem früheren israelischen Präsidenten und aktuellen Weltweisen, sei "ernst, aber stabil", lautete die von allen benutzte Formel. Nach einem Schlaganfall kämpft der 93-Jährige in einer Klinik nahe Tel Aviv ums Überleben - und die ganze Nation bangt mit.

Peres ist der Letzte aus der israelischen Gründergeneration, und wahrscheinlich ist er auch einer der Letzten, die an den Frieden in Nahost glauben und dafür arbeiten. Unermüdlich tut er das, und seit dem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt vor zwei Jahren agiert er von seinem "Peres Peace Center" in Jaffa aus. Gewiss, gesundheitlich gab es in den vergangenen Monaten ein paar Probleme, vor allem mit dem Herzen. Erst vorige Woche hatte er einen Schrittmacher bekommen. Aber wenn man ihn traf in seinem Büro, dann konnte er noch immer von hoher Warte und mit Blick aufs Meer die Welt erklären. Noch am Dienstagmorgen hatte er einen einstündigen Vortrag gehalten. "Er war in einem perfekten Zustand", sagte Rafi Walden am Mittwoch bei einer Telefon-Schaltkonferenz mit Journalisten. Walden ist der Leibarzt von Peres, und er ist sein Schwiegersohn.

Im Laufe des Tages aber fühlte Peres eine Übelkeit und Kopfschmerzen, weshalb er sich ins Scheba-Krankenhaus begab. Die Klinik gilt als eine der besten und modernsten in Israel, und Erfahrung mit prominenten Patienten gibt es hier auch. Ariel Scharon, der frühere Ministerpräsident, hatte hier nach einem Schlaganfall acht Jahre lang im Koma gelegen. Auch bei Peres wurde nun ein "schwerer Schlaganfall" in der rechten Seite des Gehirns diagnostiziert. Auf der Intensivstation wurde er in ein künstliches Koma versetzt und beatmet.

Die öffentliche Anteilnahme am Schicksal des Politikers, der in fast sieben aktiven Jahrzehnten Minister, Premierminister und Präsident war sowie mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, ist riesengroß. Regierungschef Benjamin Netanjahu, der nicht immer zu den engsten Freunden gezählt hatte, ließ sich noch in der Nacht telefonisch von den Klinikärzten über den Zustand von Peres informieren. "Schimon, wir lieben dich und die ganze Nation wünscht dir gute Besserung", schrieb Netanjahu auf Facebook. Genesungswünsche kamen auch von Präsident Reuven Rivlin, und der aschkenasische Oberrabbiner David Lau rief die Gläubigen auf, für Peres zu beten.

Die Familie von Peres harrt unterdessen am Krankenbett aus. "Dies sind schwere Stunden", erklärte der Sohn Chemi Peres unmittelbar nach der ersten Diagnose, "die Zeit wird kommen, wo wir einige Entscheidungen treffen müssen. Alles hängt nun davon ab, wie sich die Dinge entwickeln." Im Laufe des Mittwochs fassten die Angehörigen und Ärzte wieder ein wenig Zuversicht. Rafi Walden berichtete davon, dass zu Testzwecken die Narkosemittel verringert worden seien. Peres sei dann sogar ansprechbar gewesen und habe reagiert, als er ihn aufgefordert habe, seine Hand zu drücken. "Er hat es getan, recht stark", sagte er.

Alle körperlichen Funktionen seien stabil, seine Blutwerte gut, bilanzierte Walden am Mittwoch: "Es besteht derzeit keine unmittelbare Bedrohung für sein Leben. Seine Chancen zu überleben sind ziemlich gut." Unklar sei jedoch, welche Schäden der Schlaganfall hervorgerufen habe und wie sich Peres davon erholen könne. "Aber Schimon Peres hat sein Leben lang den Optimismus gelehrt", sagte der Arzt und Schwiegersohn, "und dem versuchen wir jetzt zu folgen."

© SZ vom 15.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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