Israel:Das Kreuz mit den Pilgern

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Jerusalems Tourismusbranche drohen Einbußen an Ostern, denn viele Besuchern meiden die Stadt in Zeiten der Gewalt. Letzte Hoffnung: der Mut orthodoxer Christen.

Von Peter Münch

Die Kruzifixe stapeln sich in den Regalen, die Dornenkrone wird zum Ladenhüter. In der Jerusalemer Altstadt sitzen dieser Tage schlecht gelaunte Verkäufer vor den Touristenbuden mit dem frommen Tand. Der Besucher-Schwund war schon am Palmsonntag zu sehen, als zur traditionellen Prozession zum Beginn der Heiligen Woche nach Polizeiangaben 15 000 Teilnehmern kamen - nur halb so viele wie 2015. Nun gibt es selbst auf der Via Dolorosa, die den Leidensweg Jesu markiert, Platz zum Flanieren, und in der sonst oft von Betenden belagerten Grabeskirche kann es passieren, dass man es ohne Wartezeit in die von Kerzen illuminierte leere Grabkammer schafft. Für die vielen Einheimischen, die vom Tourismus leben, ist es schon ein Kreuz mit den Pilgern in dieser Ostersaison.

Aus dem bloßen Augenschein lässt sich schließen, dass die Gewalt das Geschäft verhagelt. Schließlich wird das mutmaßlich Heilige Land seit Oktober von einer neuen Terrorwelle mit Messer- und Schusswaffenattacken meist junger Palästinenser heimgesucht. Dem Augenschein jedoch hält das israelische Tourismusministerium harte Zahlen entgegen: Mit etwa 243 000 Touristen sei der Andrang in diesem März sogar knapp über dem Vorjahresniveau, frohlockt man in Jerusalem, und schiebt hinterher, dass dies "ein Beweis dafür ist, dass der Tourismus auch in Terrorzeiten weiter wächst".

Dieser Optimismus ist Programm: Der zuständige Minister Yariv Levin hatte schon im Herbst gewarnt, dass "Krisenrufe die Leute nur unsicher machen". Der Vergleich mit dem Vorjahr ist allerdings wenig aussagekräftig, weil die Zahlen bereits nach dem Gazakrieg im Sommer 2014 abgestürzt waren. Überdies verraten die Zahlen auch nichts über die Herkunft der Besucher - und damit nichts über einen Einbruch im Pilgersektor.

Den aber bekommen die einschlägigen Anbieter zu spüren. Bei Studiosus-Reisen rechnet man nur noch mit einem Drittel der Buchungen im Vergleich zum "letzten Boomjahr 2013", sagt Manfred Schreiber, der dort für den Nahen Osten zuständig ist. Im Oktober, als die jüngste Gewaltwelle begann, sagte das Unternehmen von sich aus alle Israel-Reisen ab. Heute wird mit Einschränkungen gereist: "Nach Bethlehem fahren wir gar nicht mehr, die Jerusalemer Altstadt machen wir schnell und ohne ausgedehnten Bummel". Auch im Bayerischen Pilgerbüro verzeichnet man für Israel derzeit "keinen großen Hype", sagt Jürgen Neubarth. Der Einbruch von 2014 setze sich fort. 20 Prozent Rückgang schätzt das in Jerusalem ansässige Unternehmen SK-Tours, das sich auf Pilger- und Studienreisen spezialisiert hat. "Das Bild ist jedoch uneindeutig", meint Mitarbeiter Gedi Hampe, "auf der ITB in Berlin haben wir von Veranstaltern auch gehört, dass Israel für sie im Vergleich zu Ägypten, Tunesien, Marokko und der Türkei noch als sichere Destination gilt."

Es ist immer auch eine Frage der Perspektive, und zudem gibt es für Jerusalem neue Hoffnung: Die orthodoxen Christen feiern das Fest dieses Jahr wegen des unterschiedlichen Kalenders erst in fünf Wochen. Fragt man die Einheimischen, sind die Orthodoxen weniger ängstlich als die westlichen Glaubensbrüder. Bis Anfang Mai also darf man in Israel auf ein Osterwunder hoffen.

© SZ vom 24.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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