Israel:Das dicke Ende

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Der Friedensprozess zwischen Palästinensern und Israelis war für Obama lange zentrales Anliegen. (Foto: Thomas Coex/AFP)

Israel fürchtet Obamas Kritik. Der scheidende Präsident könnte ein bitteres Resümee der Friedensbemühungen im Nahen Osten ziehen.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Handschlag, Lächeln, Freundlichkeiten - bei ihrem Treffen am Rande der UN-Vollversammlung in New York haben sich Barack Obama und Benjamin Netanjahu ihre chronischen Differenzen nicht anmerken lassen. Routiniert kritisierte der US-Präsident noch einmal den Siedlungsbau in den besetzten Palästinensergebieten, professionell bekundete der israelische Premier wie immer seinen Friedenswillen. Dann trennten sich nach anderthalb Stunden die Wege. Weil Obama nun bald aus dem Amt scheidet, dürfte dieses 17. Treffen der beiden das letzte gewesen sein. Aber das letzte Wort könnte womöglich noch nicht gesprochen sein. Denn in der israelischen Regierung wächst die Angst vor einer finalen Abrechnung.

Mit Bangen blickt man in Jerusalem auf ein Zeitfenster zwischen der US-Präsidentenwahl am 8. November und dem Auszug Obamas aus dem Weißen Haus am 20. Januar. Klar ist, dass der Präsident derzeit noch Rücksicht nehmen muss auf die demokratische Bewerberin Hillary Clinton - und deren Wahlchancen nicht schmälern will durch einen Konflikt mit Israel, der jüdische Wähler irritieren könnte. Doch nach dem Wahltag hätte Obama befreit von allen Zwängen noch einmal die Möglichkeit, sich jenem Thema zuzuwenden, das ihn zu Beginn seiner Amtszeit am meisten beschäftigt hatte: dem nahöstlichen Friedensprozess.

In Washington wird derzeit bei Gesprächen mit Journalisten gezielt "nicht ausgeschlossen", dass er noch einmal die Initiative ergreifen könnte. Grundsätzlich gäbe es zwei Möglichkeiten: Er könnte in einer großen Rede eigene Parameter für einen Friedensschluss definieren, die Israels Regierung in Bedrängnis bringen würden. Zudem könnte er ein Zeichen setzen, indem er bei einer anstehenden UN-Resolution im Sicherheitsrat auf das bislang stets zum Schutze Israels genutzte Veto verzichtet.

Netanjahu hat den scheidenden Präsidenten zum Golf eingeladen. Fraglich, ob der Zeit hat

Netanjahu gab sich am Donnerstag vor der UN-Vollversammlung friedenswillig und offen für Gesprächen mit den Palästinensern. "Ich bin bereit, heute neue Verhandlungen zu beginnen", sagte Israels Premier am Donnerstag in New York. "Israel steht bereit, über alle abschließenden Statusfragen zu verhandeln", es werde in den kommenden Jahren Frieden mit allen seinen Nachbarn erreichen. Aber, betonte Netanjahu, er werde sich von den UN nichts diktieren lassen: "Die Straße zum Frieden verläuft durch Jerusalem und Ramallah, nicht durch New York." Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas erklärte, er baue weiter auf internationale Anstrengungen für eine Nahost-Friedenskonferenz. Die Frage ist, wie sehr das Nahost-Szenario Obamas noch umtreibt. In seiner letzten UN-Rede am Dienstag hatte er dem Konflikt nur einen Satz gewidmet, genau 31 von rund 5600 Worten, wie israelische Medien vermerkten. Obendrein hatte er vorige Woche alle Fronten mit Netanjahu begradigt durch ein militärisches Hilfspaket von 38 Milliarden Dollar über zehn Jahre. Netanjahu dankte ihm dafür überschwänglich beim Handschlag in New York und lud ihn obendrein ein, nach Ende der Amtszeit doch in Israel vorbeizuschauen auf eine Runde Golf in Caesarea. Es ist anzunehmen, dass Obama selbst als Ruheständler anderes zu tun hat. Aber auch dazu sagte er nichts Konkretes. Von Netanjahu will er sich sicher nicht mehr in die Karten schauen lassen.

© SZ vom 23.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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