Israel:Abrüstung im Kleiderschrank

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Munition aller Art geben Israelis an landesweiten Waffensammelstellen ab. (Foto: AFP)
  • Bis Mitte April kann die israelische Bevölkerung an landesweiten Checkpoints Waffen abgeben.
  • So soll verhindert werden, dass die Militärausrüstung in die Hände von Kriminellen und Terroristen gerät.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Vor dem Eingang zur Kirija in Tel Aviv, dem Hauptquartier der israelischen Armee, sitzen ein Soldat und eine Soldatin unter dem Schutz eines Sonnenschirms. Vor ihnen steht ein Plastiktisch mit den nötigen Utensilien für den kleinen Hunger zwischendurch: Chips, ein aufgerissener Joghurt, Wasserflaschen. Flankiert wird das Campingidyll von Pappschildern, die den Zweck ihres Postens dokumentieren. Linkerhand ist die Sammelstelle für "Waffen", direkt daneben, von Sandsäcken geschützt, die Kiste für die "Munition", rechts die große Wanne für "sonstige Ausrüstung".

Dies ist eine von mehr als hundert Sammelstellen im Land, an denen bis Mitte April die israelische Bevölkerung Militärmaterial abgeben kann, das zuvor zu Hause gehortet worden ist. "Das Motto lautet: Keine Fragen, keine Strafen", erklärt Oberstleutnant Vikor Lisha, der für die Amnestieaktion der Streitkräfte mitverantwortlich ist. "Es geht uns um den Wert des Materials und um die Sicherheit", sagt er, "und beides lohnt sich."

"Wollen verhindern, dass Waffen in falsche Hände geraten"

In einem Land mit allgemeiner Wehrpflicht - drei Jahre für Männer, zwei für Frauen - und obendrein regelmäßigem Reservedienst bleibt vieles auf der Strecke. Manche bewahren militärische Memorabilien als Souvenir auf, andere für alle Fälle. Die meisten handelten dabei nicht in böser Absicht, heißt es. Doch die Folgen können gefährlich sein. "Wir wollen verhindern, dass das in die falschen Hände gerät", sagt Lisha und verweist auf Kinder, Kriminelle und Terroristen.

Was ein solcher Frühjahrsputz in den privaten Waffenkammern zutage fördert, kann sich sehen lassen: Helme und Uniformen, Feldstecher und Wasserflaschen, und neben Schusswaffen vor allem Munition aller Art bis hin zu Granaten und Landminen. Einer brachte einen Fallschirm zurück, ein anderer den Steuerknüppel eines Flugzeugs. Nach 15 Jahren trennte sich ein womöglich vom schlechten Gewissen geplagter Ex-Soldat von seinem geklauten Armeejeep, den er schwarz lackiert und für private Ausfahrten genutzt hatte. Ein Kibbuz übergab gleich ein ganzes Waffenlager aus dem Unabhängigkeitskrieg von 1948, es fand sich darin auch ein altes britisches Gewehr aus dem 19. Jahrhundert.

In einer Woche 3000 Menschen an den Stützpunkten erschienen

"Die Sammelaktion dient der Sicherheit der Bevölkerung", meint der Oberstleutnant, und nötig sei das gerade nach größeren militärischen Operationen. Nach dem Libanonkrieg von 2006 hatte es Ähnliches schon einmal gegeben, mittlerweile sind drei Gaza-Kriege dazugekommen. Was gebraucht werden kann, wird verwertet, alles andere vernichtet. Lisha lobt "die ausgezeichnete Zusammenarbeit zwischen Bevölkerung und Armee". Allein in der ersten Woche der dreiwöchigen Aktion seien 3000 Menschen an den Stützpunkten erschienen. "Die Leute verstehen, dass der Platz dieser Sachen nicht außerhalb der Armee sein kann", sagt er. "Aber ich hoffe, dass solche Kampagnen in Zukunft nicht mehr nötig sein werden."

An der Tel Aviver Kirija fährt indes zur Mittagszeit ein Auto vor, die Fahrerin hupt und kurbelt das Seitenfenster herunter. Die Soldatin steht auf, die Fahrerin reicht ihr wortlos eine Plastiktüte, gibt Gas und braust davon. Die Tüte ist reichlich gefüllt mit M-16-Munition, die Soldatin schaut zufrieden. Woher die Patronen stammen? "Wir fragen doch nicht", sagt sie. "Wir sagen nur hallo und danke."

© SZ vom 08.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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