Iran:Wann das Regime wankt

Die Proteste im Land können zu fast allem führen.

Von Tomas Avenarius

Iran erlebt die größten Demonstrationen seit 2009. Der Staat zeigt Härte, mehr als ein Dutzend Menschen sind schon ums Leben gekommen. 2009 war das Jahr, in dem Hardliner-Präsident Mahmud Ahmadinedschad die "Grüne Bewegung" niederschlug und klarstellte, dass die Iraner auf Reformen lange werden warten müssen, wenn überhaupt. Jetzt entlädt sich der Unwillen erneut, mit Gewalt.

Die Proteste richteten sich zunächst gegen teure Lebenshaltungskosten und Korruption. Jetzt werden politische Parolen laut. "Tod dem Diktator" - das heißt: Weg mit dem Geistlichen Führer, weg mit der Islamischen Ayatollah-Republik. Diese Proteste können daher zu fast allem führen. Zu wochenlanger Anarchie, zu einem Blutbad, das die Sicherheitskräfte anrichten, zu Personalwechseln im Herrschaftsapparat. Dass sie aber zum Ende des Regimes führen, ist vorerst unwahrscheinlich. Der Aufstand hat noch keine Führer, der Staatsapparat ist gewaltbereit, das Ayatollah-System hat viele Anhänger.

Seit 2009 ist viel passiert: Der nur halbherzig reformwillige Hassan Rohani wurde Präsident, die großen Hoffnungen in das internationale Atomabkommen haben getrogen, politische Öffnung und Wirtschaftsaufschwung sind ausgeblieben. Die militärischen Siege, die sich Teheran im Irak und in Syrien in Großbuchstaben auf die Fahne schreibt, machen die Iraner auch nicht satt. Wenn der soziale Abstieg breiter Schichten so rapide weitergeht, wird er das Regime irgendwann ins Wanken bringen.

© SZ vom 02.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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