Iran und das Atom:Bomben gegen die Bombe

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Im Nuklearstreit mit dem Iran werden gefährlich schnell militärische Varianten durchgespielt. Was für Europäer erschreckend wirkt, ist für Israel eine realistische Option.

Stefan Kornelius

Der Atomstreit mit Iran eskaliert fast schon unkontrolliert, was weniger mit den Drohungen der Konfliktgegner zu tun hat, als mit dem Zeitpunkt und der Frequenz, mit der jetzt die politischen Verwünschungen ausgestoßen werden.

Iran verfolgt seit Monaten zielstrebig das eine Ziel: Das Land will Uran anreichern, nach eigenen Worten zu friedlichen Zwecken. An dieser Friedfertigkeit bestehen so große Zweifel, dass der Westen versucht, Teheran mit wechselnden Strategien von dem Plan abzubringen.

Da alle Zuckerbrot-Angebote verschmäht wurden, reagiert dieser Westen nun gereizt - und deutet schon mal auf die Peitsche. So sind die unvermittelten Drohungen des französischen Präsident zu erklären, und so sind die Worte des israelischen Verteidigungsministers zu deuten, sein Land werde einer Atom-Bewaffnung Irans nicht tatenlos zusehen.

Mehr Schaden als Nutzen

Neu ist dieser Zungenschlag freilich nicht: Israel hat immer die Politik verfolgt, dass es eine existenzbedrohende Gefahr nicht hinnehmen kann und notfalls vorbeugend militärisch aktiv wird. Was für Europäer erschreckend wirkt, ist für Israel eine realistische Option.

Da nun so freimütig über militärische Pläne diskutiert wird, muss ebenso offen darauf aufmerksam gemacht werden, was der Waffen-Einsatz gegen den Bau der ultimativen Waffe brächte: nicht viel. Nach aller Analyse werden Militärschläge gegen die atomaren Forschungseinrichtungen oder gar eine militärische Invasion Irans mehr Schaden als Nutzen bringen.

Wie wenig irritiert Iran auch ist, zeigen die Nachrichten der letzten Tage. Das Regime in Teheran ist sich seiner im Wortsinn unangreifbaren Position derart bewusst, dass es offenbar damit begonnen hat, Geld von europäischen Banken abzuziehen. Außerdem droht es mit einer Drosselung seiner Ölproduktion.

Wenn nun alle Diplomatie versagt und Iran gefährlich nahe an die Produktion einer Atomwaffe rückt, dann bleiben zwei Optionen: Entweder wird die Atombewaffnung militärisch verhindert - oder sie wird hingenommen und mit einer glaubwürdigen Gegenstrategie beantwortet. Schaul Mofaz, der israelische Verteidigungsminister, hat nun die Militäroption in den Mittelpunkt der tagespolitischen Aufgeregtheit gerückt, obwohl alle Varianten des Waffeneinsatzes von den Experten längst durchdacht sind.

Zerstören lässt sich die iranische Atomforschung wohl nicht. Teheran hat aus der Vergangenheit gelernt und seine Programme auf mindestens 80, stark befestigte und verbunkerte Standorte im ganzen Land verteilt. Vermutlich sind es mehr. Wollte man sie alle zerstören, dann müsste die israelische Luftwaffe tagelang Einsätze fliegen, zuvor die iranische Luftabwehr ausschalten und für all dies die Überflugsrechte der USA über den Irak erwirken.

Der Konflikt würde automatisch den Irak einschließen und dort vermutlich zu schweren inneren Unruhen führen. Israel müsste mit Gegenschlägen rechnen - und mit einer gewaltigen Terror-Welle durch dschihadistische Gruppen, die von Iran gefördert werden. Kurz: Die allemal kokelnde Region würde in Flammen aufgehen.

Es ist höchste Zeit

Bleibt eine militärische Minimaloption, auf die Mofaz vermutlich anspielt: Israel könnte versucht sein, die Atomproduktion Irans so weit zu behindern, dass eine Waffe in weite Ferne rückt. Schlüsselanlagen für die Anreicherung von Uran müssten getroffen und zerstört werden, damit Iran auf Jahre mit dem Wiederaufbau beschäftigt ist. Wo diese Anlagen sind, weiß nicht mal die Atomenergiebehörde.

Ob Israel mehr weiß, ist fraglich. Allerdings rückt der Moment näher, an dem Israel abwägt: Wie gefährlich ist ein atomar bewaffneter Iran für die eigene Existenz - und wie gefährlich sind gezielte Luftschläge inklusive der Gegenangriffe und der unkalkulierbaren politischen Folgen für das Land. Es ist daher höchste Zeit, den Katalog der Möglichkeiten wieder zu erweitern und die gefährliche Eskalation zu stoppen.

© SZ vom 22.01.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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