Iran:Rivalen am Golf

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Was der Abschluss des Atom-Abkommens mit Teheran für den arabischen Raum bedeutet, und warum das Wettrüsten zwischen Iran und Saudi-Arabien sich noch weiter verschärfen dürfte.

Von Ronen Steinke

Für Hersteller konventioneller Waffen ist der Dienstag, an dem das Atom-Abkommen mit Iran unterzeichnet wurde, ein Tag zum Feiern gewesen. Mit der Einigung verbindet sich für Iran die Hoffnung, bald von den Fesseln der internationalen Sanktionen befreit zu sein, was auch bedeutet, Rüstungsgüter wieder legal auf dem Weltmarkt kaufen zu können, mit Geld, das zuvor lange eingefroren war. Für Irans Gegner in der Region ist dies ein Grund, die Aufrüstung der vergangenen Jahre nun erst recht zu forcieren.

Schon in den vergangenen zwei Wochen, als der Durchbruch sich anbahnte, sind die Aktienkurse der größten amerikanischen Rüstungskonzerne gestiegen, Boeing legte um fünf Prozent zu, Northrop Grumman 5,24 Prozent, Lockheed Martin 5,78, Raytheon 4,37 Prozent. In diesen Tagen beschäftigt die US-Branche vor allem die Frage, wie die Golfstaaten sich daranmachen werden, bereits vom Kongress bewilligte Rüstungsgeschäfte abzurufen, die ihnen zur Besänftigung ihrer Sorge vor Iran angeboten wurden. Die Vereinigten Arabischen Emirate etwa haben einen Kaufvertrag im Wert von 130 Millionen Dollar über 1100 laser-geleitete Flugkörper auf dem Tisch, weitere 900 Millionen Dollar würde der Kauf von zwölf Artillerie-Anlagen kosten, der bereits mit Lockheed avisiert ist. Zwar hat der Atom-Deal natürlich zum Ziel, Iran vom Bau der Atombombe abzubringen. Insofern ist dies ein Abrüstungsabkommen. Unterhalb dieser Eskalationsstufe aber, das ist die bittere Ironie, lässt es viel Raum für Aufrüstung. Der Wettstreit um Panzer, Gewehre und Raketen dürfte sich in seiner Folge eher noch beschleunigen.

Es sind zwei traditionsreiche Machtpole, die sich im Mittleren Osten derzeit um die Vorherrschaft streiten: Auf der einen Seite Iran, das sich schon seit der Antike als Regionalmacht versteht. Es hat Zugang zu zwei Meeren und verbindet Asien mit Arabien. Ihm gegenüber steht Saudi-Arabien, ein zwar erst hundert Jahre junger Zusammenschluss von Beduinen-Familien auf der arabischen Halbinsel, der aber ausgestattet ist mit einem derart großen Schatz aus Öl, dass sich damit Geopolitik machen lässt. Beide sehen sich als natürlichen Hegemon ihrer Region. Beide ähneln sich aber - was beim Blick von außen leicht zu übersehen ist - auch in ihrem tief sitzenden Gefühl der Verwundbarkeit.

Hier die Iraner, die in den Achtzigerjahren erleben mussten, wie sie einer Aggression des vom Westen gestützten irakischen Diktators ausgeliefert waren. Dort die Saudis, die im vergangenen Jahrhundert ebenfalls das Gefühl kennenlernen mussten, ausgeliefert zu sein und das eigene Territorium nicht ohne fremde Hilfe verteidigen zu können. Als der Irak 1990 plötzlich vor der Tür stand, mussten die USA zu Hilfe kommen. Boshafte Kommentatoren haben den Saudis jüngst spöttisch "Iranoia" bescheinigt: Wann immer sich in ihrer Nachbarschaft Aufstände regen, und das geschieht seit 2011 oft, vermuteten sie eine getarnte Expansion des schiitischen Iran.

Zur Verunsicherung Saudi-Arabiens hat beigetragen, dass die USA und andere westliche Länder nicht mehr so klar an der Seite der Golfstaaten stehen wie früher, sondern inzwischen mal auf der einen, mal auf der anderen Seite mitkämpfen. In Syrien bekämpft der Westen das iranisch beeinflusste Regime, im Irak stützt er das iranisch beeinflusste Regime.

Saudi-Arabien hat seine Militärausgaben mehr als verdoppelt

Schon in den vergangenen zehn Jahren hat Saudi-Arabien deshalb seine Militärausgaben mehr als verdoppelt, der Zuwachs zwischen 2005 und 2014 betrug 112 Prozent. Übertroffen wurde dies nur von den kleinen Verbündeten Saudi-Arabiens: In den Vereinigten Arabischen Emiraten betrug der Zuwachs 135, in Bahrain 126 Prozent. Das kleine Katar, das in früheren Jahren kaum Waffen besaß, bestellte im vergangenen Jahr Rüstungsgüter für 24 Milliarden Dollar, jüngst unterschrieb es noch einen Vertrag mit Frankreich über die Lieferung von 24 Rafale-Kampfjets.

Erst im Mai hat sich US-Präsident Barack Obama persönlich an die traditionell mit den USA verbündeten Golfstaaten gewandt und ihnen bei einem Spitzentreffen ein Angebot gemacht, das ihnen die Sorge vor einem möglicherweise bald erstarkenden Iran nehmen sollte. Die Idee: ein gemeinsames Raketenabwehrsystem, das sich gegen Iran richten soll. Noch ist dieses Projekt nicht weitergediehen. Wohl aber geht die Furcht vor Iran so weit, dass selbst das in der Region sonst isolierte Israel eingestimmt und Saudi-Arabien Hilfe bei der Raketenabwehr angeboten hat, wie die in London ansässige arabische Zeitung Rai al-Youm berichtete. Gleichzeitig hat Israels Militär davon profitiert, dass der US-Kongress im Mai eine Lieferung von verbilligten Rüstungsgütern im Wert von 1,9 Milliarden Dollar dorthin bewilligte - wiederum eine Geste der Solidarität im Angesicht der Sorge vor einem bald entfesselten Iran.

Saudi-Arabien steckt schon jetzt enorme Summen in sein Militär - hier eine Spezialeinheit der Armee. Das Wettrüsten mit Iran wird sich noch verschärfen. (Foto: Faisal Al Nasser/Reuters)

Zwar streiten Experten darüber, ob Irans Aktivitäten in der Region wirklich immer missionarisch und expansiv sind, oder ob es nicht mitunter um den Erhalt schiitischer Gruppen geht. In Jemen etwa, wo eine schiitische Miliz sich im vergangenen Jahr gegen das Regime aufgelehnt hat, prangern sowohl die USA als auch viele Golfstaaten ein angebliches iranisches Muskelspiel an. Die schiitische Miliz dort kämpfe als verlängerter Arm Irans, so lautet der Vorwurf. Damit habe de facto Teheran erstmals einen Fuß auf die arabische Halbinsel gesetzt. Um es zurückzudrängen, bombardiert eine saudisch angeführte Militärkoalition seither das Land. Unabhängige Beobachter zweifeln indes, ob die jemenitische Miliz sich wirklich aus Teheran etwas sagen lässt, auch wenn sie von dort Waffen erhält. Klar ist aber, dass sich die beiden Regionalmächte Iran und Saudi-Arabien inzwischen auf vielen Schlachtfeldern in der gesamten Region betätigen, von Syrien über den Irak bis hin nach Libanon. Wenn die beiden Regionalmächte neue Waffen kaufen, dann erhalten viele dieser Konflikte neuen Treibstoff.

© SZ vom 16.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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