Iran:Nichts eint so wie ein gemeinsamer Feind

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Schock in Teheran: Die iranische Tageszeitung Arman schreibt im Zusammenhang mit dem Streit über das Atomabkommen vom "verrückten Trump". (Foto: Abedin Taherkenareh/Shutterstock)

In den meisten arabischen Staaten wird Iran als größte Bedrohung in der Region betrachtet - genau wie in Israel. Trumps Kritik am Atom-Abkommen erfreut deren Regierungen.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

In Europa haben die Regierungschefs von Deutschland, Frankreich und Großbritannien "besorgt" auf die Iran-Rede von Donald Trump reagiert. Angela Merkel, Emmanuel Macron und Theresa May bekräftigten, dass ihre Länder am Atomabkommen festhalten, das seit Freitag wieder infrage steht. Sie vermieden direkte Kritik am US-Präsidenten, aber allein dass sie sich gemeinsam an die Öffentlichkeit wandten, ist ein Indiz, wie groß die Befürchtungen sind. Ganz anders fallen die Reaktionen in der Region aus, bei den Rivalen Irans auf der anderen Seite des Persischen Golfs, aber auch darüber hinaus. So lobte Saudi-Arabien die "Vision" des Präsidenten, geißelte "Irans destabilisierendes Verhalten und insbesondere das ballistische Raketenprogramm" - und dankte Trump für seine Bereitschaft, "gemeinsam mit den Alliierten in der Region Iran entschieden entgegenzutreten". Riad hatte sich von Trumps Vorgänger Barack Obama verraten gefühlt.

Die Golfstaaten wollen neue Wirtschaftssanktionen gegen das Regime in Teheran

Nicht viel anders hörte sich das in den Vereinigten Arabischen Emiraten an: Die Annahme, das Atom-Abkommen werde dazu beitragen, Irans Verhalten zu mäßigen, sei ein "totaler Irrglaube", schrieb Anwar Gargasch auf Twitter, Staatsminister für Auswärtige Angelegenheiten. Auch aus Israel kamen - wenig überraschend - lobende Worte. Premier Benjamin Netanjahu warnte in einer Videobotschaft, wenn das Atomabkommen unverändert bleibe, werde das "weltweit führende Terror-Regime" in wenigen Jahren Atomwaffen besitzen.

Diese drei Länder betrachten Iran als größte Bedrohung in der Region, Beifall war zu erwarten. Aber auch Ägypten, eng mit den Golfstaaten verbündet, zugleich jedoch stets auf Eigenständigkeit bedacht, schloss sich der Kritik an Irans Rolle in der Region an. Sie wird weithin als destabilisierend wahrgenommen; viele der Vorwürfe, die Trump Iran in seiner Rede machte, teilt die Mehrzahl der arabischen Staaten - von jenen unter iranischem Einfluss abgesehen, also Syrien, Libanon und Irak.

Während Trump berüchtigt ist für seinen lockeren Umgang mit Fakten, sind die meisten seiner Punkte diesbezüglich stichhaltig: Die Unterstützung für Hamas und Hisbollah streitet nicht einmal Teheran ab, selbst dass Al-Qaida-Kader zeitweise Unterschlupf im schiitischen Iran fanden, ist belegt, auch wenn das im Regime umstritten war. Teile des iranischen Sicherheitsapparats helfen zudem den Taliban in Afghanistan. Die Verantwortlichen sehen dabei, wie auch bei Hamas und al-Qaida, darüber hinweg, dass diese Gruppen sunnitische Fundamentalisten sind - solange sie den Amerikanern Probleme machen.

Zugleich ist die Lage komplexer, als Trump glauben machen will: Die von ihm angeprangerten Schiitenmilizen, von den iranischen Revolutionsgarden gesteuerte Söldnerheere, wähnen sich zwar in ihrer schiitischen Variante des Dschihad. In Irak und Syrien aber kämpfen sie auch gegen die Terrormiliz Islamischer Staat - nicht selten mit Luftunterstützung der USA. Bald wiederum könnten sie sich gegen US-Truppen dort wenden. Anfang Oktober starb ein US-Soldat im Irak durch eine Sprengfalle mit einer panzerbrechenden Hohlladung. Mit solchen Bomben hatten schiitische Milizionäre im Irak 2008 bis 2010 US-Truppen angegriffen - der Einsatz nun war der erste seit sechs Jahren.

Vor allem den Golfstaaten geht es nicht darum, wann einzelne Bestimmungen des Atom-Abkommens auslaufen - sie wollen neue Wirtschaftssanktionen gegen das Regime, die dessen Handlungsspielraum in der Region beschneiden. Trump ist auch wegen massiven Widerstands aus dem Pentagon nicht so weit gegangen, die Revolutionsgarden zur ausländischen Terrorvereinigung zu erklären. Wohl aber setzte das Finanzministerium sie auf eine Terrorliste. Damit werden all ihre Vermögenswerte in den USA eingefroren, und sie werden vom amerikanischen Banken- und Wirtschaftssystem isoliert; Amerikaner dürfen mit ihnen keinerlei Geschäfte machen.

Offen ist, wie sich das auf Iran-Geschäfte der Europäer auswirkt. Die Revolutionsgarden besitzen schwer durchschaubare Firmenkonglomerate, kontrollieren wichtige Branchen wie Bau und Telekommunikation. Ihr Anteil an Irans Wirtschaft wird auf 15 bis 50 Prozent geschätzt. Firmen mit Geschäftsinteressen oder Filialen in den USA werden sich gut überlegen müssen, welche Risiken sie bereit sind einzugehen.

In Iran dagegen schließt der Druck von außen die Reihen. Bis weit in Bevölkerungsschichten, die dem Regime kritisch gegenüberstehen, herrscht die Meinung vor, die Revolutionsgarden schützten Iran erfolgreich vor dem Chaos und der Gewalt, die viele Teile der Region prägen. "Heute sind alle Iraner Revolutionsgarden", twitterte Außenminister Jawad Mohammed Zarif. "Jungen, Mädchen, Männer, Frauen."

© SZ vom 16.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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