Iran:Kartoffeln aus Teheran

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Was geht? Und wann? Bayern (links) und Iraner diese Woche in Teheran. (Foto: VBW)

Vom "Franz Josef Strauß" zum "Imam Khomeini": Wie bayerische Mittelständler und iranische Politiker die Frage erörtern, warum Deutsche so langsam und so gründlich sind.

Von Detlef Esslinger, Teheran

Die Gastgeber sind gerne optimistisch, vielleicht sogar etwas zu sehr. Das Gespräch mit den Besuchern geht zu Ende, und nun sagt dieser führende Vertreter des Staates diesen optimistischen und ansonsten scheinbar harmlosen Satz: "Ich habe gehört, dass eine unserer Banken eine Filiale in München eröffnet. Das wird eine große Hilfe sein." Lieber nicht namentlich zitieren, den Mann.

Gut ein Dutzend bayerische Mittelständler sind über den 1. Mai nach Teheran geflogen, von "Franz Josef Strauß" nach "Imam Khomeini" sozusagen. Einige hatten schon vor den Sanktionen Geschäfte dort gemacht, einige sind zum ersten Mal hier. Einige machen Geschäfte, die man schon bei Nennung des Firmennamens versteht, wie der Chef der "Straubinger Kartoffelhandels GmbH". Einige muss man erläutern, was dem Dolmetscher die Aufgabe einbringt, den Begriff für "versiegelungsfreie Oberflächenbefestigung" auf Farsi zu finden. Alle haben längst ihren Markt, Iran als ein weiterer wäre schön. Aber sie brauchen das Land weniger als umgekehrt. Präsident Hassan Rohani hat das militärische Atomprogramm geschlossen, dafür wurden internationale Sanktionen aufgehoben, und wenn Rohani am 19. Mai wiedergewählt werden sowie langfristig überzeugen will, dass der Verzicht auf die Bombe zum Nutzen seines Landes ist, wäre es sehr gut, wenn er Erfolge präsentieren kann. So ist die Lage, und so haben auch Kartoffelhändler aus Straubing ihre Rolle in diesem Great Game der Weltpolitik.

Die Bayern haben jetzt eine iranische Bank gefunden, die Chancen auf eine Lizenz hat

Die Deutschen geben sich gründlich, wie immer. Termin bei der Handelskammer. Deren Präsident Masoud Khansari ist ein Freund von Rohani. Es gibt etwas, das Khansari an Besuchern aus München schätzt - und etwas, das er nicht versteht. Was er schätzt: wie regelmäßig sie kommen. Seit Ende 2015 ist dies nun die vierte Gruppe von bayerischen Unternehmern hier. Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) unterhält seit anderthalb Jahren ein Büro in Teheran, das gibt es bei ihr sonst nur in Brüssel und New York. Was Khansari hingegen nicht versteht: dass trotzdem alles so zäh ist. Kein einziges Großprojekt, anders als bei Italienern und Franzosen. "Sie haben gesagt, dass wir Geduld haben sollen", sagt er zu Bertram Brossardt, dem Chef der VBW. Der ist zum achten oder zehnten Mal in Teheran; so genau weiß Brossardt es selber nicht. "Aber wir wollen nur so viel Geduld haben", fährt Khansari fort, "dass wir es noch erleben."

Diese Deutschen erklären, was sie nicht wollen: etwas Spektakuläres verkünden und dann hoffen, dass es irgendwie klappt. Brossardt bringt ja niemanden von Siemens oder BMW mit. Konzerne haben eigene Möglichkeiten, Geschäfte einzufädeln. Er bringt Mittelständler, und neben ihm sitzt ein Abteilungsleiter aus dem bayerischen Wirtschaftsministerium, der sieben Jahre in China war und sagt, dort sei es genauso gewesen: Zuerst hätten die Chinesen sich gewundert, warum die Deutschen so langsam seien. Heute hätten ihre Firmen dort viermal so viel Geschäft wie Italien und Frankreich zusammen.

Die Bayern, die in dieser Hinsicht sehr normale Deutsche sind, wollen es Schritt für Schritt angehen. Schritt eins: immer wieder herkommen. Würde man ja nicht tun, hätte man kein Interesse. Schritt zwei: sondieren, ob etwas geht. Schritt drei: nachdem dies mit Ja beantwortet ist, den Iranern helfen, in München eine Bank zu gründen. Man braucht eine Bank, die Zahlungen zwischen zwei Ländern abwickelt. Solange sich Mittelständler mit dem Umweg über ein Konto in Dubai behelfen müssen, oder mit Gegengeschäften, Öl gegen Tomaten oder so - so lange läuft wenig.

Die Bayern haben jetzt eine Bank gefunden, der sie zutrauen, in Deutschland eine Lizenz zu bekommen. Middle East Bank heißt sie. Ihr Inhaber hat in den zurückliegenden neun Monaten gestaunt, wonach diese Zulassungsbehörde namens Bafin alles fragt; "sogar nach meinem Großvater". Doch nun hofft er, dass er rasch die Lizenz erhält. Mit der Betonung bitte auf: hofft. Nichts wäre so ungünstig, als wenn alle jenen Eindruck erweckten, den der Mann aus dem Staatsapparat erweckt hatte. "Ich habe gehört, dass eine unserer Banken eine Filiale in München eröffnet", hatte er gesagt. Um Himmels willen, bei der Bafin darf niemand den Eindruck gewinnen, nur abzeichnen zu sollen, was eh schon klar ist. Falls es klappt, "dann wird alles leichter", sagt Brossardt, zur Geduld mahnend. "Wir ergeben uns", sagt Khansari, der Kammerpräsident.

Und dann? Was wird möglich sein? Der Vizepräsident der Islamischen Republik Iran für Forschung und Technologie ist an Raumfahrttechnik interessiert - was die US-Regierung überaus interessieren dürfte, sollte es ausgerechnet dort zur Kooperation kommen. Brossardt antwortet: "Wir werden nicht jeden Sektor machen können." Ein Iraner zeigt einem Bayern seine Fabrik, er möchte mit seiner Hilfe (also seinem Geld) moderner produzieren. Gegeneinladungen werden ausgesprochen; ein Besucher aus Franken sagt, was ein Franke in solchen Fällen sagen muss: "Ich hoffe, dass Sie dann nicht nur nach München kommen, sondern auch nach Nürnberg."

Der Abteilungsleiter aus dem Wirtschaftsministerium sucht, abends beim Empfang, den Kartoffelhändler aus Straubing. Er hat offenbar jemanden getroffen, mit dem er ihn in Kontakt bringen will. 2016 verkauften die Deutschen für 275 Millionen Euro Waren nach Iran, kauften selber aber nur für 13 Millionen. Dass eine solche Handelsbilanz auf Dauer kein Zustand ist, kapieren sogar die Deutschen. Es wäre also gut, wenn der Straubinger auch iranische Kartoffeln kauft.

Khansari, der Freund des Präsidenten Rohani, übergibt der VBW in der Handelskammer, gleich am Ende der Schalterhalle, einen Raum zur ständigen Benutzung, auch der Vize-Wirtschaftsminister macht ein solches Angebot. So etwas ist viel wert: Es bedeutet, physisch ein Teil der Kammer und des Ministeriums zu sein, einen besseren Zugang zu den Entscheidern kann es gar nicht geben. Das haben jetzt nur die Bayern, nicht die Deutschen insgesamt; und die Franzosen schon gar nicht.

Im Gegenzug, quasi, lässt sich Brossardt zu einer gemeinsamen Pressekonferenz überreden. Noch gut zwei Wochen bis zur Wahl, vor den Reportern beklagt Khansaris Generalsekretär nicht mehr, wie langsam alles geht. Er spricht über Potenziale. Am nächsten Morgen steht in der Financial Tribune, einem englischsprachigen Blatt, dass die Middle East Bank in Deutschland "im Sommer offiziell ihre Lizenz erhält". Oje. Aber die Teheraner Wirtschaftspresse wird ja nicht für die Bafin, sondern für iranische Wähler gemacht.

© SZ vom 04.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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