Iran:Der Minister als Türöffner

Everyday life in Iran

Nicht nur der Westen, auch die Bewohner Irans stehen einer Annäherung aufgeschlossen gegenüber: eine Iranerin in der Hauptstadt Teheran.

(Foto: dpa)

Nach dem Atom-Abkommen reist Sigmar Gabriel als erster westlicher Ressortchef nach Iran. Die deutschen Unternehmen hoffen auf neue Milliardenaufträge.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Wenn es nach der Initiative "Stop the bomb" gegangen wäre, hätte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) gar nicht erst losfliegen dürfen. "Deutsche Unternehmen und die Bundesregierung stehen 70 Jahre nach dem Ende der Schoah in der ersten Reihe, um Geschäfte mit dem antisemitischen iranischen Regime zu machen", sagte eine Sprecherin des Bündnisses, das unter anderem von der Grünen Jugend unterstützt wird. Die Reise nach Iran müsse Gabriel deshalb absagen. Doch die Proteste vor dem Wirtschaftsministerium waren vergeblich: Am Sonntag startete der Vizekanzler, begleitet von einem Dutzend Wirtschaftsvertretern, zu einem dreitägigen Besuch in den Golfstaat.

Gleich nach seiner Ankunft in Teheran verteidigte Gabriel das Existenzrecht Israels. "Für Deutschland muss klar sein: Wer immer mit uns nachhaltige Beziehungen hat, der kann nicht das Existenzrecht Israels politisch infrage stellen", sagte er bei einem Empfang in der Residenz des deutschen Botschafters.

Gabriel ist der erste Minister aus dem Westen, der nach Beilegung des Atomstreits nach Iran aufgebrochen ist. Es geht dabei natürlich um Geld, sogar um sehr viel Geld. Die deutschen Unternehmen hoffen auf Milliardengeschäfte, nachdem vor knapp einer Woche die UN-Vetomächte und Deutschland mit der islamischen Republik eine historische Vereinbarung geschlossen hatten: Teheran wird der Bau von Atombomben durch Einschnitte bei der Uran-Anreicherung und internationale Kontrollen unmöglich gemacht. Dafür soll der Westen die Wirtschaftssanktionen schrittweise aufheben.

Gabriel hat sich für seinen Teheran-Trip viel vorgenommen. So will er bei seinen Gesprächen mit Irans Präsident Hassan Rohani und einigen Ministern ein Türöffner für die deutsche Wirtschaft sein. "Voraussetzung dafür ist, dass die im Abkommen vorgesehenen Schritte jetzt umgesetzt werden", sagte der SPD-Politiker vor seiner Abreise in Berlin. Deutschland war früher wichtigster Lieferant für den ölreichen Golfstaat. In den Siebzigerjahren war Iran nach den USA zweitgrößter Absatzmarkt der deutschen Wirtschaft außerhalb Europas, bis er wegen der Sanktionen einbrach und die Deutschen viele Aufträge an China verloren. Die deutschen Exporte im Wert von 2,4 Milliarden Euro könnten sich binnen vier Jahren vervierfachen, rechnet der Deutsche Industrie- und Handelskammertag vor.

"Stop the bomb" sieht das anders. Sollten neue Milliarden nach Iran fließen, könnte das islamische Regime stärker den Terror von Gruppen wie Hisbollah oder Hamas fördern. Außerdem habe der Terror gegen die eigene Bevölkerung zugenommen. Ein Sprecher des Bündnisses sagte: "Unter dem vermeintlich moderaten Präsidenten Rohani wurden deutlich mehr Menschen hingerichtet als unter seinem Vorgänger Ahmadinedschad."

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