Interner Streit:Der alte Mann und der Zorn

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Warum Konrad Adam mit seinem Ko-Vorsitzenden Bernd Lucke nicht erst seit diesem Wochenende hadert.

Von Jens Schneider

Es gibt eine Art Gründungsmythos der AfD. Er stammt aus der sehr kurzen Phase, als die Professoren und Akademiker noch begeistert waren über sich und ihren Aufbruch. So richtig gab es die Partei noch gar nicht, der erste Parteitag sollte erst kommen. Da mietete der Publizist Konrad Adam in Oberursel im Taunus, seinem Heimatort, einen kleinen Teil der Stadthalle an, es sollte eine Informationsveranstaltung sein. Das war im März vor zwei Jahren, draußen herrschte Schneegestöber. Und doch kamen mehr als tausend Menschen. "Die Zeit ist reif", rief der pensionierte Journalist, der viele Jahre für die FAZ und die Welt geschrieben hatte, in den Saal. Er erntete frenetischen Beifall.

Die Teilnehmer hatten das Gefühl, bei einem Aufbruch des bürgerlichen Lagers dabei zu sein, gespeist aus großem Unmut über die Zeitläufte. Der 73 Jahre alte Adam sieht sich als Kultur-Konservativen. In seinen Büchern warb er für die klassischen Bildungsideale, schwärmte, so ein Titel, für "die alten Griechen". In der AfD fand der Pensionär begeisterte Zuhörer für seine Warnungen vor dem, was er als linksalternative Gleichmacherei geißelte.

"Sie scheinen von Enttäuschung und Ehrgeiz zerfressen zu sein."

Gut zwei Jahre später wirkt Adam vor allem zornig, wenn er über die Partei spricht, deren Vorsitzender er bis heute gemeinsam mit Frauke Petry und Bernd Lucke ist. Die AfD schien zunächst das zu sein, was der konservative Bildungsbürger in der CDU nicht mehr fand und lange vermisste: eine politische Heimat. Nun aber sorgt Adam sich, dass die junge Partei an der Geltungssucht und dem Machtstreben ihrer Funktionäre zerbricht.

Vermutlich ist das auch die Erklärung für die Zuspitzung vom Sonntag. Da deutete Adam gegenüber ehemaligen Kollegen an, dass Lucke möglicherweise planen könnte, die Partei zu verlassen. Dem Verhältnis der beiden wird das kaum helfen; sie sind längst entzweit.

In Sitzungen empfand Adam seinen Ko-Vorsitzenden Lucke offenkundig als professoralen Oberlehrer, der leichthin über andere Meinungen hinweggehen wollte. Als Adam dagegen protestierte und es immer mehr Nickligkeiten zwischen den Lagern gab, erhielt er im vergangenen Jahr eine in der AfD inzwischen legendäre E-Mail von Hans-Olaf Henkel, einem Unterstützer Luckes. "Sie scheinen von Enttäuschung über Ihre Bedeutung in der Partei und von Ihrem Ehrgeiz zerfressen zu sein", schrieb Henkel. Er entschuldigte sich später.

Adam war in den letzten zwei Jahren bei vielen internen Konflikten dabei, gerade auch in seinem notorisch zerstrittenen hessischen Landesverband, wo er eine Zeit lang Vorsitzender war. Politisch warnt Adam, den seit vielen Jahren eine Freundschaft mit dem Vorstandskollegen Alexander Gauland verbindet, vor einem Erstarken von "Rechtsauslegern" in der AfD - aber auch vor einem Durchmarsch der "Marktdogmatiker", wie er es nennt. Damit dürfte er, ohne ihn zu nennen, ganz klar Lucke meinen.

"Die Situation in der AfD ist noch dramatischer geworden", sagt Adam an diesem Montag, "der Machthunger hat zugenommen, und das schließt Rücksicht auf Minderheiten in der Partei aus." Chancen, wieder Vorsitzender zu werden, dürfte er nicht haben. Aber er dürfte ohnehin etwas anderes machen: Er soll die parteinahe "Erasmus-Stiftung" führen.

© SZ vom 12.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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