Höchststrafe für Alex Wiens:Im Zweifel lebenslang

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Dass Marwa el-Sherbinis Mörder womöglich im Affekt handelte, milderte das Urteil nicht. Doch die Richterin ist nicht vor dem politischen Druck aus der arabischen Welt eingeknickt.

Hans Holzhaider

Es konnte kein anderes Urteil geben als lebenslange Haft für den 28-jährigen Alex Wiens, der die Ägypterin Marwa el-Sherbini erstochen hat. Die Welt schaut auf Deutschland, oder zumindest ein Teil der Welt: Wie geht die deutsche Justiz um mit einem, der sich ganz ungeniert zu seinem Rassenhass bekennt, der sich mit seinem Deutschtum brüstet und sich geriert, als sei es sein gutes Recht, ja sogar seine Bürgerpflicht, eine Frau anzupöbeln, weil sie ein Kopftuch trägt?

Konnte es ein anderes Urteil geben? Alex Wiens wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. (Foto: Foto: dpa)

Der nicht einmal nach seiner entsetzlichen Tat ein Wort des Bedauerns, des Mitgefühls findet? Hamdi Khalifa, der Vorsitzende der ägyptischen Rechtsanwaltskammer, hat im Gerichtssaal verdeutlicht, was die arabische Welt vom Dresdner Landgericht erwartet: Im Namen von "mehr als einer halben Million arabischen Rechtsanwälten" forderte er die Höchststrafe für den Angeklagten.

Im Video: Der Mörder der schwangeren Ägypterin Marwa el-Sherbini muss lebenslang in Haft.

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Oder hätte es vielleicht doch ein anderes Urteil geben können? Das Ansehen Deutschlands in der arabischen Welt ist eine wichtige Sache, aber es ist kein Entscheidungskriterium für den Strafrichter. Wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass ein Täter wegen einer psychischen Störung vermindert schuldfähig ist, dann führt das nach deutschem Strafrecht zu einer Einweisung in die Psychiatrie und/oder zu einer Reduzierung des Strafrahmens mit der Folge, dass auch ein Mörder nicht unbedingt zu lebenslanger Haft verurteilt werden muss. Auch dann nicht, wenn eine halbe Million arabische Rechtsanwälte das anders sehen.

Der vom Gericht beauftragte Psychiater hat das Vorliegen einer verminderten Schuldfähigkeit verneint. Die Verteidigung hat dagegen durchaus gewichtige Einwendungen erhoben. Wiens wurde schon vor zehn Jahren in Russland wegen des Verdachts einer schizophrenen Erkrankung vom Wehrdienst freigestellt.

Durch nichts zu stoppende Wut

Die Art der Begehung der Tat, die berserkerhafte, durch nichts zu stoppende Wut, die völlige Vernachlässigung der eigenen Sicherheit - welcher Mörder, der seine Tat plant, begeht sie vor den Augen von Richter und Staatsanwalt - spricht deutlich gegen die von der Anklage vertretene Version vom eiskalten Killer. Da könnten einem Gericht zumindest Zweifel kommen.

Die Strafkammer in Dresden indes hat getan, was 99 von 100 deutschen Gerichten auch getan hätten - sie hat sich dem Urteil des Sachverständigen angeschlossen. Der energischen und selbstbewussten Richterin Brigitte Wiegand deshalb zu unterstellen, sie und ihre Kollegen wären vor dem politischen Druck eingeknickt, wäre abwegig und infam.

Es bleibt die höchst beschämende und alarmierende Tatsache, dass es in Deutschland ein tödliches Risiko sein kann, ein Kopftuch zu tragen. Das sollte einigen zu denken geben. Es ist nur ein gradueller Unterschied, ob man eine kopftuchtragende Frau vom Spielplatz oder aus dem Klassenzimmer verbannt. Was man ihr verweigert, ist in beiden Fällen dasselbe: die gleichberechtigte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben.

© SZ vom 12.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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