Hochschulen:Zwang des Zeitvertrags

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Eigentlich hatte sich die Koalition schon auf bessere Arbeitsbedingungen für Nachwuchsforscher geeinigt. Doch nun hat die Union Bedenken.

Von Roland Preuss, München

In der großen Koalition ist ein Streit darüber entflammt, wie die Arbeitsbedingungen von Nachwuchswissenschaftlern verbessert werden sollen. Die SPD wirft der Unionsfraktion im Bundestag vor, eine gesetzliche Neuregelung wegen einer Intervention der großen Wissenschaftsorganisationen zu blockieren. Man habe bereits vor Wochen ein gemeinsames Eckpunktepapier formuliert, auf das sich die beiden Berichterstatterinnen der Koalitionsfraktionen und das zuständige Bundesbildungsministerium geeinigt hätten, sagte die zuständige SPD-Bildungspolitikerin Simone Raatz der Süddeutschen Zeitung. "Es ist unverantwortlich, dass die Unionsfraktion diesen Kompromiss auf Druck der Arbeitgeberseite auf den letzten Metern gefährdet."

Vergangene Woche hatte sich die Allianz der Wissenschaftsorganisationen, in denen die großen Forschungsorganisationen wie die Max-Planck-Gesellschaft, aber auch die Hochschulrektorenkonferenz organisiert sind, mit einem Brief an Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) sowie an die Fraktionsführungen von Union und SPD gewandt. Darin warnt sie vor geplanten Einschränkungen bei den Befristungsmöglichkeiten für Mitarbeiter an Hochschulen und Forschungsinstituten. Flexible Befristungen der Arbeitsverträge seien "wichtige Fragen", wenn Spitzenwissenschaftler gewonnen werden sollten, heißt es in dem Brief. Dies gelte auch für nichtwissenschaftliches Personal wie etwa Laborkräfte, die bisher so wie Forscher oft auf Zeit beschäftigt werden dürfen. Diese Regelung soll laut Eckpunktepapier entfallen, nichtwissenschaftliche Beschäftigte würde damit behandelt wie andere Arbeitnehmer auch. Zudem wenden sich die Wissenschaftsorganisationen gegen Pläne, dass Arbeitgeber und Nachwuchswissenschaftler künftig bei Zeitverträgen ausdrücklich ein "Qualifizierungsziel" - etwa eine Doktorarbeit - vereinbaren. Dies sei überflüssig, schreibt der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Martin Stratmann, im Namen der Allianz.

Das Eckpunktepapier, das bisher nicht veröffentlicht wurde, sieht mehrere Maßnahmen gegen die zunehmende Zahl befristeter Arbeitsstellen vor: Grundsätzlich sollen wissenschaftliche Mitarbeiter so lange beschäftigt werden wie Mittel für ein Projekt zur Verfügung stehen. Ähnliches soll für Nachwuchswissenschaftler gelten, die mindestens so lange eine Stelle bekommen sollen wie sie zum Abschluss einer Doktorarbeit oder Habilitation benötigen. Zudem sollen die genannten Sonderregelungen für nichtwissenschaftliches Personal entfallen. Nach SZ-Informationen hat das Bundesbildungsministerium den Eckpunkten bereits zugestimmt, Johanna Wanka hatte bereits im Januar deutlich gemacht, dass sie gegen die prekären Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft durch eine Neufassung des sogenannten Wissenschaftszeitvertragsgesetzes vorgehen will. Aus dem Ministerium hieß es am Montag lediglich: "Für uns ist wichtig, dass es für Daueraufgaben auch Dauerstellen gibt."

Der Bildungsexperte der Unionsfraktion, Albert Rupprecht (CSU), kritisierte dagegen das Eckpunktepapier. Der Koalitionspartner setze zu sehr auf gesetzliche Regelungen. "Die Praxis an den Hochschulen aber ist viel komplizierter als es per Gesetz zu fassen ist", sagte er. Die Union wolle hingegen vor allem Stellen mit Bewährungsmöglichkeit (Tenure Track) sowie Vorgaben bei der Vergabe von Fördermitteln, die bessere Verträge sichern sollen. Die Union werde die Kritikpunkte der Wissenschaftsorganisationen prüfen, halte die Fragen aber für lösbar. Mit ihm werde es erst eine Lösung geben, wenn die SPD den Forderungen der Union entgegen komme, sagte Rupprecht.

Raatz sagte dagegen, die Eckpunkte seien mit dem Bildungsministerium abgestimmt. "Nun ist es Zeit, dass Frau Wanka diese auch in der eigenen Fraktion durchsetzt."

© SZ vom 09.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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