Großbritannien:Schottische Regierung strebt neues Referendum an

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Die Ministerpräsidentin Sturgeon will die Bürger erneut über eine Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich abstimmen lassen.

Von Alexander Menden, London

Nach dem Willen von Nicola Sturgeon, der Regierungschefin Schottlands, werden die Schotten zwischen Herbst 2018 und Frühjahr 2019 ein weiteres Mal über ihre nationale Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich abstimmen. 2014 hatte sich eine Mehrheit dafür entschieden, Teil des britischen Verbundes zu bleiben.

Flankiert von zwei "Saltires", den schottischen Nationalflaggen mit dem Andreaskreuz, verkündete Schottlands Erste Ministerin am Montag in Edinburgh, dass die Voraussetzungen für ein zweites Unabhängigkeitsreferendum nunmehr gegeben seien. Schottland stehe "vor einer Richtungsentscheidung von immenser Bedeutung", sagte Sturgeon. Das schottische Parlament sollte das Recht haben, eine weitere Volksabstimmung auszurufen, wenn sich die Umstände signifikant veränderten, unter denen das erste Unabhängigkeitsreferendum gehalten wurde. In der kommenden Woche werde sie das Parlament in Holyrood befragen, ob der Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union eine solche signifikante Veränderung darstelle.

Der Kurs der britischen Regierung, den Brexit zur Not auch ohne Folgeabkommen mit der EU anzustreben, steht der Haltung der in Schottland regierenden Scottish National Party (SNP) diametral entgegen. Nicola Sturgeons Partei sieht den Austritt aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion als unmittelbare Bedrohung schottischer Interessen. London sei Schottland bei den Gesprächen über die britische Brexit-Strategie "keinen Zentimeter entgegengekommen", sagte Sturgeon in ihrer Rede. Die Schotten müssten eine Entscheidung treffen können, ehe es zu spät sei.

Sollte die SNP-Mehrheit in Holyrood für ein zweites Unabhängigkeitsreferendum stimmen, würde Sturgeon sich auf Artikel 30 des "Scotland Act" berufen, der die "devolution" regelt, die Umverteilung von Macht aus London nach Edinburgh. Artikel 30 sieht vor, dass die schottische Regierung die britische Zustimmung für ein Unabhängigkeitsreferendum einholt.

Seit der Brexit-Abstimmung im Juni, in der die Schotten überwiegend für den Verbleib votierten, gab es Geplänkel zwischen Edinburgh und London. Die Erste Ministerin vermied bisher aber ein direktes Kräftemessen. Ihr Plan sah vor, die mögliche Abspaltung anzugehen, wenn Umfragen 60 Prozent Mehrheit für Schottlands Eigenständigkeit anzeigen. Doch weil EU-Freundlichkeit zum SNP-Programm gehört, muss die Partei nun Stärke zeigen, da der Beginn der Verhandlungen Londons mit Brüssel kurz bevorsteht. Sturgeon wählte den Tag, an dem das britische Parlament das Gesetz zum EU-Austrittsverfahrens verabschiedete, es strich die vom Oberhaus eingeführte Zusatzklausel. Die abschließende Annahme im House of Lords gilt nun nur noch als Formsache. Den Vorstoß der Schotten kritisierte die britische Regierung scharf. Ein Sprecher erklärte, eine erneute Volksabstimmung wäre "spalterisch", käme "zum schlimmstmöglichen Zeitpunkt" und würde zu "enormer wirtschaftlicher Unsicherheit führen".

© SZ vom 14.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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