Großbritannien:Royale Demokratie

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Mehr als nur Glamour und Gloria: Die Hochzeit zwischen Prinz Harry und Meghan Markle gilt den Briten als Beweis, dass sich ihr Königshaus erneuern kann. Die Demokratie stärkt sie auch.

Von Cathrin Kahlweit

Zwei Milliarden Zuschauer saßen an diesem Samstag an den Bildschirmen, als Charles, der Prinz of Wales, die Braut seines Sohnes zum Altar führte. Das Königreich war in Feierlaune, und die sozialen Medien überschlugen sich schon vorab mit Blick auf existenzielle Fragen wie: Brautkleid, Kuchen, Blumen, Kutsche, Küsse, Gäste. Gut möglich, dass die Hochzeit des Jahres einer jener ikonografischen Momente wird, die in Zukunft mit der Frage verknüpft sind: Wo warst du an jenem Tag?

Die, mit Verlaub, kollektive Hysterie galt einerseits einem jungen, hübschen Paar: er aus sehr guter Familie mit kaum zu toppendem VIP-Status, sie Hollywood-Starlet, Mode-Ikone, politisches Vorbild. Der hohe Glamourfaktor von Prinz Harry und Meghan Markle war also ein wesentlicher Bestandteil der Begeisterung für das Brautpaar, das andererseits bemüht ist, sein höchst privilegiertes Leben durch demonstrative Volksnähe und Authentizität vergessen zu machen. Wir sind keine Luxuspuppen, soll das zeigen, und nehmen unsere soziale Vorbildfunktion ernst. Und man nimmt es ihnen ab, was beweist: Die königliche Familie und ihre Berater haben in den vergangenen Jahren kaum Fehler gemacht, weder bei der Vorbereitung des aktuellen Großereignisses noch bei der royalen Gesamtinszenierung.

Deswegen bot diese Hochzeit nicht nur gute Unterhaltung, sondern erfüllte zumal in Großbritannien, auch eine grundlegende Funktion: Sie stärkte das Königshaus - und damit die Demokratie. Das ist kein Widerspruch, sondern eine britische Besonderheit. Die Monarchie ist in Großbritannien populär wie lange nicht mehr, weil die Windsors ein Kunststück fertiggebracht haben, das ihre Rolle im Staatsaufbau bis auf Weiteres sichert: die Kombination aus sturem Konservatismus, kalkuliertem Abstand zum Volk und pragmatischer Anpassung. Die Queen, seit mehr als sechs Jahrzehnten im Amt, wird als Hort der Stabilität wahrgenommen. Ihre faktische Bedeutung für die politischen Abläufe ist zu vernachlässigen, aber ihr Pflichtbewusstsein, ihr distanziertes Schweigen, ihre skandalfreie Regentschaft gelten als vorbildhaft.

Die Hochzeit gilt den Briten als Beweis dafür, dass ihr Klassensystem durchlässig ist

Elizabeth II. ist in den Augen ihrer Untertanen ein ideales Staatsoberhaupt, unbestechlich und neutral. Während Theresa Mays Minderheitsregierung am seidenen Faden hängt und die Parteien von Machtkämpfen zerrissen sind, während Brexit-Chaos und Zukunftsangst herrschen, wird der sorgsam gepflegte Mythos einer Regentin von Gottes Gnaden als Rettungsanker empfunden. Allein die Idee, die Rolle des Staatsoberhaupts wie in anderen Ländern mit altgedienten Politikern zu besetzen, betrachtet man im Königreich als nachgerade peinigend.

Die Hochzeit in Windsor gilt den Briten außerdem als Beweis, dass ihre Aristokratie zur Selbsterneuerung fähig ist. Das britische Klassensystem ist nämlich durchaus durchlässig; als Eintrittskarte dienen Ehrgeiz und Assimilationsbereitschaft. Wie William, so heiratete nun auch Harry eine Bürgerliche, wie Kate, so nimmt nun auch Meghan schnell den Habitus einer Prinzessin an. So machen die Paare den gelebten Traditionsbruch schnell vergessen. Selbst Republikaner waren deshalb an diesem 19. Mai Monarchisten: weil sich die Royals mit ihrem Markenkern, der perfekten Mischung aus Glamour und Gloria, dem ganzen Land als Identifikationsfiguren zur Verfügung stellen.

© SZ vom 19.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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