Großbritannien:Quertreiber

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Eine geplante Abstimmung zur Fuchsjagd wird zur Machtdemonstration der schottischen SNP in Westminster.

Von Christian Zaschke, London

David Cameron hat am Dienstag deutlich gespürt, was es bedeutet, dass die Scottish National Party (SNP) eine ernst zu nehmende Kraft im Parlament von Westminster geworden ist. Der konservative britische Premierminister sah sich gezwungen, eine für diesen Mittwoch geplante Abstimmung über eine Gesetzesänderung bezüglich der Treibjagd auf Füchse abzusagen. Die SNP hatte angekündigt, gegen Camerons Entwurf zu stimmen. Da auch einige Konservative gegen eine Lockerung des entsprechenden Gesetzes sind, hätte der Premier wohl eine Niederlage einstecken müssen. Diese Blöße wollte Cameron sich nicht geben, weshalb er die Abstimmung kurzerhand verschob.

Um die Fuchsjagd geht es dabei nur vordergründig. Diese ist seit 2004 prinzipiell verboten, mit einer Ausnahme: der Jagd zur Schädlingsbekämpfung. Dabei dürfen in England und Wales zwei Hunde eingesetzt werden, die den Fuchs aufscheuchen. Das neue Gesetz sollte erlauben, dass wie vor 2004 mit einer Hundemeute gejagt wird. Die Gesetzesänderung wäre lediglich in England und Wales in Kraft getreten; das Einflussgebiet der SNP, die ausschließlich in Schottland antritt, wäre also nicht betroffen gewesen. Traditionell hat sich die Partei bisher in solchen Fällen enthalten. Nun aber hat Parteichefin Nicola Sturgeon sich zu einer neuen Linie entschieden.

Sturgeon gibt offen zu, dass es weniger um die Sache als um Parteipolitik geht. Man habe die Regierung daran erinnern wollen, wie schmal deren Mehrheit sei, sagte sie. Die Verschiebung der Abstimmung zeige, dass Cameron seine Partei nicht im Griff habe. Der Premier hatte angekündigt, es werde keinen Fraktionszwang geben, weshalb einige Tories gegen die Vorlage stimmen wollten. Hätte die SNP sich wie gewohnt enthalten, wäre wohl dennoch eine Mehrheit für die Regierung zustande gekommen. Es verleiht der Haltung der SNP eine besondere Note, dass in Schottland bei der Jagd zur Schädlingsbekämpfung weiterhin Hundemeuten eingesetzt werden dürfen. Die Partei hätte also gegen etwas gestimmt, das in ihrer eigenen Einflusssphäre gesetzlich erlaubt ist. Auf diesen Widerspruch angesprochen sagte Sturgeon, man wolle sich des Themas jetzt auch in Schottland annehmen und die Regelung anpassen. Warum die SNP, die seit acht Jahren den schottischen Ministerpräsidenten stellt, erst jetzt zu dieser Ansicht gekommen ist, kommentierte Sturgeon nicht.

Das Manöver der SNP befeuert eine Debatte, die in Westminster seit Wochen intensiv geführt wird. Insbesondere die Tories wollen erreichen, dass künftig schottische Abgeordnete keine Gesetze blockieren können, die lediglich England betreffen. Anders als Schottland, Nordirland und Wales hat England kein eigenes Regionalparlament. Das bedeutet, dass Abgeordnete aus nicht-englischen Regionen des Vereinigten Königreichs im Unterhaus über England betreffende Fragen mit abstimmen können. Umgekehrt haben aber englische Abgeordnete kaum Einfluss auf die übrigen Länder, da dort wesentliche Fragen von den Regionalparlamenten geregelt werden. Die Tories argumentieren, das sei ungerecht. Die SNP hingegen befürchtet, wenn nur englische Abgeordnete über England betreffende Themen abstimmten, könnte sich in Westminster ein Zwei-Klassen-Parlament entwickeln.

Premier Cameron wird nun rasch versuchen, eine entsprechende Regelung mit der knappen konservativen Mehrheit durchs Unterhaus zu bringen. Eine neue Abstimmung über die Fuchsjagd wird er voraussichtlich in diesem Herbst anberaumen.

© SZ vom 15.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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