Großbritannien:Nieder mit dem Defizit

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Finanzminister Osborne als Gemälde: nackt und mit leerem Koffer. (Foto: Matt Dunham/AP)

Der britische Finanzminister Osborne präsentiert den ersten rein konservativen Haushalt seit 1996. Seine Partei will im Sozialbereich kürzen, Steuern senken und den Mindestlohn erhöhen.

Von Christian Zaschke, London

Zu den Eigenheiten, die sich im Lauf der Jahre im britischen Parlament ausgebildet haben, gehört der Brauch, dass am Tag der Vorstellung des Haushalts Alkohol getrunken werden darf. Allerdings nur vom Finanzminister. William Gladstone pflegte Mitte des 19. Jahrhunderts während seiner Haushaltsreden Sherry mit geschlagenem Ei zu trinken, was ihn derart beflügelte, dass er seine nüchternen Kollegen mit bis zu fünf Stunden währenden Vorträgen erfreute. Benjamin Disraeli trank gut 20 Jahre später mit ein wenig Wasser verdünnten Brandy und sprach nur unwesentlich kürzer. Finanzminister George Osborne trank am Mittwoch Mineralwasser und sprach lediglich eine gute Stunde lang. Doch was er zu sagen hatte, war von Gewicht.

Die Regierung wird verstärkt gegen Steuervermeider vorgehen

Osborne stellte den ersten rein konservativen Haushalt seit 1996 vor. Damals hatte Finanzminister Kenneth Clarke die wirtschaftlichen Pläne der Tories vorgestellt, bevor diese die Wahl im Jahr 1997 krachend verloren. Der lebensfrohe Clarke ölte seine Stimme seinerzeit hin und wieder mit einem guten Schluck Whisky, während er sprach; er ist der letzte Finanzminister, der vom Recht auf Alkoholgenuss im Unterhaus Gebrauch machte. Osborne hingegen ist in vielerlei Hinsicht ein Mann der Entsagung. Nicht nur trinkt er grundsätzlich Wasser, wenn er den Etat präsentiert, er hat in den vergangenen Jahren mindestens zehn Kilogramm abgenommen. Und er hat dem Land einen strikten Sparkurs verordnet.

In den vergangenen fünf Jahren haben die Konservativen in einer Koalition mit den Liberaldemokraten regiert, was hieß, dass sie auf deren Wünsche Rücksicht nehmen mussten. Seit der Wahl im Mai regieren die Tories mit absoluter Mehrheit. Im Zentrum seiner Sparvorhaben stehen Kürzungen der Sozialleistungen. In den kommenden drei Jahren will Osborne hier zwölf Milliarden Pfund sparen (17 Milliarden Euro). Ursprünglich hatte er diesen Betrag innerhalb von zwei Jahren sparen wollen, die Kürzungen könnten nun aber langsamer vonstattengehen, sagte er, weil die Steuereinnahmen gestiegen seien.

Insgesamt will der Finanzminister in den kommenden drei Jahren 37 Milliarden Pfund sparen, um das Haushaltsdefizit auf null zu bringen. Von einem härteren Vorgehen gegen Steuervermeider erhofft er sich Einnahmen von fünf Milliarden Pfund. Den Rest der Summe will Osborne durch Kürzungen im Regierungsapparat und im öffentlichen Dienst erwirtschaften, wo die Gehälter weiterhin um maximal ein Prozent pro Jahr steigen dürfen. Wie diese Kürzungen genau aussehen werden, soll erst im Herbst bekannt gegeben werden.

Zudem hat Osborne einige Steuererleichterungen angekündigt. Die Unternehmensteuer soll von 20 Prozent bis 2020 auf 18 Prozent sinken. Eine Neuordnung der Erbschaftsteuer bedeutet, dass verheiratete Paare ihren Nachkommen von 2017 an eine Million Pfund steuerfrei hinterlassen können. Das entlastet insbesondere jene, die Immobilien in London besitzen. Der Steuerfreibetrag steigt auf 11 000 Pfund im Jahr, zudem steigt die Grenze, ab der ein Einkommensteuersatz von 40 Prozent gezahlt werden muss. Osborne sagte: "Wir haben einen Plan für Großbritannien, der uns in den kommenden fünf Jahren von einem Land der niedrigen Löhne, der hohen Steuern und der hohen Sozialleistungen zu einem Land der höheren Löhne, niedrigeren Steuern und niedrigeren Sozialleistungen macht."

Einen der aufsehenerregendsten Punkte hatte sich Osborne für den Schluss seiner Rede aufgespart. Er kündigte eine Steigerung des Mindestlohns an, der im Jahr 2020 für Arbeitskräfte, die mindestens 25 Jahre alt sind, neun Pfund pro Stunde betragen soll. Das bedeutet eine substanzielle Lohnsteigerung für etwa 2,5 Millionen Arbeitskräfte. Damit, so Osborne, bewiesen die Konservativen, dass sie und nicht Labour die wahre Partei der Arbeiter seien.

Für die BBC hatte der Minister indes keine guten Neuigkeiten parat. Wer älter ist als 75 Jahre, muss keine Rundfunkgebühr zahlen. Die Kosten dafür hatte bisher die Regierung übernommen. Künftig, sagte Osborne, werde die BBC den Einnahmeausfall in Höhe von 650 Millionen Pfund im Jahr selbst tragen müssen. Der gebührenfinanzierte Sender dürfte dadurch weiter unter Druck geraten.

© SZ vom 09.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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