Großbritannien:Neuer Bürgermeister Sadiq Khan: Ein Muslim für London

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Sadiq Khan (Labour Partei) mit seiner Frau Saadiya nach der Stimmabgabe. Gegen Khan war der konservative Milliardär Zac Goldsmith angetreten. (Foto: Stefan Wermuth/Reuters)
  • Londons Bürger haben Sadiq Khan zu ihrem neuen Bürgermeister gewählt.
  • Damit fällt das Amt nach acht Jahren wieder zurück an die Labour-Partei.
  • Bei der Regionalwahl in Schottland schaffen allerdings die Tories ein starkes Ergebnis.

Von Christian Zaschke, London

Die Labour-Partei mag bei den britischen Regionalwahlen insgesamt verloren haben, aber dafür hat sie die Abstimmung mit der größten Strahlkraft gewonnen: Ihr Kandidat Sadiq Khan hat sich gegen den Konservativen Zac Goldsmith durchsetzt und ist damit der erste muslimische Bürgermeister Londons. Schon gegen Freitagmittag hatte sich abgezeichnet, dass Khan gewinnen würde. Noch vor Ende der Auszählung gratulierte Labour Parteichef Jeremy Corbyn Khan zum Sieg. Khan bekam 57, Goldsmith 43 Prozent der Wählerstimmen.

Damit ist das Amt nach acht Jahren zurück an Labour gefallen. Der vormalige konservative und eminent populäre Bürgermeister Boris Johnson war nicht mehr angetreten. Er sitzt mittlerweile im Parlament von Westminster, wo er hofft, eines nicht allzu fernen Tages Premierminister David Cameron zu beerben.

Die Londoner Abstimmung galt auch als Fingerzeig in Bezug auf das Referendum über die britische EU-Mitgliedschaft, das in sieben Wochen stattfindet. Während Labour-Mann Khan für den Verbleib in der EU wirbt, hat sich der Konservative Goldsmith dagegen positioniert. Politische Beobachter und auch einige Parteifreunde bezeichneten diese Entscheidung als Goldsmiths größten wahltaktischen Fehler, da London überwiegend europafreundlich eingestellt ist.

Sohn eines Busfahrers vs. Sohn eines Milliardärs

Die Auseinandersetzung der beiden Kandidaten hatte ihren Reiz auch daraus bezogen, dass sie so unterschiedlich sind. Der 45 Jahre alte Khan ist der Sohn eines Busfahrers, der aus Pakistan einwanderte. Goldsmith, 41, ist Sohn des Milliardärs Sir James Goldsmith - mehr Establishment geht nicht. Die Frage war also, ob die Stadt einen Aufsteiger aus einfachen Verhältnissen wählen würde, oder ob sie sich für den freundlichen Milliardenerben mit den geradezu unverschämt perfekt sitzenden Anzügen entscheidet. Am Ende war das Votum überraschend eindeutig.

Landesweit hat die Labour-Partei rund sechs Prozent ihrer Stimmen eingebüßt. Das ist insofern bemerkenswert, als die Partei, die im Parlament von Westminster die Opposition bildet, bei lokalen Wahlen in Großbritannien normalerweise zulegt. Allerdings ist die Niederlage nicht so drastisch ausgefallen wie erwartet, und der überzeugende Sieg in London tröstet über vieles hinweg.

Parteichef Jeremy Corbyn zeigte sich am Freitag sogar zufrieden mit dem Ergebnis. Bei einer deutlicheren Niederlage hätte er unter Umständen mit einer Revolte in der Partei rechnen müssen. Nun steht fest, dass Labour mit Corbyn an der Spitze auch in den sich unmittelbar anschließenden Wahlkampf zieht: In diesem wird die Mehrheit der Partei die Wähler davon zu überzeugen versuchen, am 23. Juni für den Verbleib in der EU zu stimmen.

In Schottland, Wales und Nordirland wurden die Regionalparlamente bestimmt

Außerhalb Londons haben die Wähler in Schottland, Wales und Nordirland die Zusammensetzung der Regionalparlamente bestimmt, zudem standen in weiten Teilen Englands Kommunalwahlen an. Die Auszählung aller Wahlkreise dauert noch bis Sonntag, es war jedoch rasch klar, dass Labour in Wales trotz Verlusten stärkste Kraft bleibt. In Nordirland, wo die traditionellen britischen Parteien nicht antreten, zeichnete sich ein Sieg der protestantisch-unionistischen Democratic Unionist Party von Ministerpräsidentin Arlene Foster ab, zweitstärkste Kraft wird die katholisch-nationalistische Partei Sinn Féin.

Die wohl größte Überraschung dieser Wahlen ist Ruth Davidson gelungen. Die 37 Jahre alte Chefin der schottischen Konservativen hat das Direktmandat im Wahlkreis Edinburgh Central gewonnen. Die Tories haben einen schweren Stand in Schottland, das traditionell links wählt, und Edinburgh Central galt als Sitz, der an die Scottish National Party (SNP) gehen würde. Und wenn nicht an die SNP, dann eben wie früher an Labour. Aber an die Konservativen? Unmöglich.

Noch vor wenigen Tagen waren die SNP-Aktivisten, die in dem Wahlkreis um Unterstützung warben, äußerst aufgeräumter Stimmung, weil sie an praktisch jeder Haustür zu hören bekamen: Wir wählen SNP. Gewonnen hat aber Davidson, die eine Renaissance der Tories in Schottland eingeläutet hat. Die Partei wurde hinter der SNP zweistärkste Kraft, Davidson ist offizielle Oppositionsführerin. Die Labour-Partei, die das Land jahrzehntelang dominiert hatte, ist auf den dritten Platz zurückgefallen. Ein Kuriosum ist dabei, dass die regierende SNP mehr Stimmen gewonnen hat als vor fünf Jahren, aber wegen der Tücken des schottischen Wahlsystems ihre absolute Mehrheit verlor.

© SZ vom 07.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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