Großbritannien:Mayday

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Die britische Regierungschefin wäscht Außenminister Boris Johnson den Kopf, weil dieser sich scharf über Saudi-Arabien geäußert hat.

Von Christian Zaschke

Theresa May macht so gut wie nie Witze, und wenn sie doch mal welche versucht, haben sie jedes Mal mit Boris Johnson zu tun. Die britische Premierministerin ist eine ernste Frau, doch der Gedanke an Johnson schien sie stets zu erheitern, sodass sie sich hin und wieder zu einer halblustigen Bemerkung hinreißen ließ. Doch selbst mit diesen kleinen Anflügen von Humor ist es nun wohl vorbei, denn Außenminister Johnson ist bei der Chefin in Ungnade gefallen. Das liegt vornehmlich daran, dass er die Wahrheit gesagt hat.

In der vergangenen Woche hatte Johnson angemerkt, Saudi-Arabien und Iran führten in der Region Stellvertreterkriege, zum Beispiel in Jemen. Das lässt sich verknappt durchaus so sagen, es ist allerdings für einen Außenminister nicht sonderlich diplomatisch. Zudem war es auf der Insel bisher üblich, dass Saudi-Arabien nicht kritisiert wird, was auch damit zusammenhängt, dass Großbritannien mit Waffenexporten in das Land Milliarden verdient.

Aus dem Amtssitz von Frau May in der Downing Street ertönte umgehend harsche Kritik, die Schärfe der Zurechtweisung war ungewöhnlich. Es handele sich um Johnsons Privatmeinung, und diese entspreche nicht der Haltung der Regierung, hieß es. Johnson werde bei seinem anstehenden Besuch in Saudi-Arabien selbstverständlich die Position der Regierung vertreten. Diese lautet im Wesentlichen, dass Saudi-Arabien gut für die Stabilität der Region sei. Dass Johnson seine Aussagen gemacht hatte, unmittelbar bevor er zu einer Dienstreise nach Saudi-Arabien aufbrach, erzeugte in der Downing Street besonderen Verdruss. An diesem Sonntag weilte der Außenminister in Riad, dem äußeren Anschein nach in bester Stimmung.

In Westminster wurde die ebenso rasche wie deutliche Reaktion mit größtem Interesse registriert. Es ist gut möglich, dass diese Angelegenheit der Beginn eines größeren Zerwürfnisses zwischen May und Johnson ist. May hat gern die absolute Kontrolle und das letzte Wort. Dass sie ausgerechnet Johnson zum Außenminister machte, war daher eine Überraschung. Der ehemalige Londoner Bürgermeister ist schlicht nicht zu kontrollieren, zudem ist er ein Meister in der Kunst der Beleidigung.

Den früheren amerikanischen Präsidenten George W. Bush nannte er einmal einen "texanischen Kriegshetzer mit Knick in der Optik". In Hillary Clinton erkannte er "eine sadistische Krankenschwester in einer psychiatrischen Klinik". Wladimir Putin erinnert ihn phänotypisch an Dobby, den Hauselfen aus dem Harry-Potter-Universum. So könnte man ewig weitermachen, Chinas Beitrag zur Weltkultur sei "praktisch null", den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan schmähte er in einem Gedicht.

Dass May ihn dennoch zum Außenminister machte, liegt daran, dass er der bekannteste Befürworter des Brexit war. Seine Ernennung sollte den europaskeptischen Parteiflügel befrieden. Der äußert sich jetzt unzufrieden darüber, dass Johnson so deutlich kritisiert wurde. Aus Johnsons Lager verlautete, die Gängelei aus der Downing Street müsse aufhören und die Boris-Witze bitte schön auch. Den zweiten Wunsch wird May ihm mühelos erfüllen können.

© SZ vom 12.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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