Großbritannien:Kritik am Kredit

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Eine Milliarde Pfund stellt die EU-Investitionsbank für britische Sozialwohnungen bereit. Dieses Foto zeigt den Abriss eines Gebäudes in Schottland. (Foto: Stefan Wermuth/Reuters)

Die EU-Förderbank gibt den Briten ein riesiges Darlehen. Das Pro-Brexit-Lager glaubt, dass die EU so das Referendum beeinflussen will.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Nicht mal mehr zwei Monate sind es, dann stimmen die Briten über einen möglichen EU-Austritt ihres Königreichs ab. In Brüssel ist die Aufregung groß, die Europäische Union fürchtet den Brexit. Doch lautstark Partei ergreifen will von den überzeugten Europäern bislang niemand - es könnte ja kontraproduktiv wirken. Den Brexit-Befürwortern will man auf keinen Fall Stoff für ihre Anti-EU-Kampagne liefern. So weit, so vorsichtig.

Nun sorgt allerdings ein Milliardenkredit der EU-Förderbank für Empörung im Pro-Brexit-Lager. "Es sieht so aus, als ob einige in Luxemburg denken, sie können das Referendum mit ein paar kosmetischen Darlehen kaufen", sagte ein Sprecher von "Vote Leave", der offiziellen Kampagnengruppe, die für einen EU-Austritt des Vereinigten Königreichs wirbt. Die Europäische Investitionsbank (EIB) mit Sitz in Luxemburg hatte am Montag bekannt gegeben, dass sie eine Milliarde Pfund Sterling (etwa 778 Millionen Euro) für den Bau neuer Sozialwohnungen in Großbritannien bereitstellt. Es ist nach Angaben der Bank ihr bislang größtes Darlehen für sozialen Wohnungsbau in Europa.

Den Vorwurf der Brexit-Aktivisten, dass die EIB versuche, das Referendum am 23. Juni zu beeinflussen, wies die Bank zurück. Der Zeitpunkt der Ankündigung sei nicht mit der Volksabstimmung verknüpft. Die Brexit-Befürworter verwiesen allerdings darauf, dass die Bank in letzter Zeit immer häufiger Pressemitteilungen über Darlehen für Großbritannien herausgegeben habe. Und in der Tat: Allein in diesem Jahr hat die EIB laut der Agentur Reuters bereits zwölf Pressemitteilungen über britische Kredite veröffentlicht - so viele wie im gesamten Jahr 2014. Im vergangenen Jahr gab es von Seiten der EIB 18 Medienmitteilungen über Kredite, die Projekte in Großbritannien fördern. Zum Vergleich: 2016 hat die Bank bislang sieben Statements über neue Darlehen in Spanien, sechs in Frankreich, vier in Italien und zwei in Deutschland herausgegeben.

Die Förderbank engagiert sich intensiv für den sozialen Wohnungsbau in Großbritannien

Nach eigenen Angaben stellte die EIB im vergangenen Jahr Darlehen in Höhe von insgesamt 5,6 Milliarden Pfund für 40 Projekte im Vereinigten Königreich bereit. Das war der höchste jährliche Beitrag, den die Bank in Großbritannien jemals zur Verfügung gestellt hat. Mit ihren Krediten förderte die EU-Bank insgesamt Investitionen von knapp 16 Milliarden Pfund. "Die Europäische Investitionsbank engagiert sich intensiv für den sozialen Wohnungsbau im gesamten Vereinigten Königreich und vergibt dort fast die Hälfte aller Finanzierungen, die sie zugunsten von Sozialwohnungsbauprojekten in Europa zur Verfügung stellt", sagte EIB-Vizepräsident Jonathan Taylor. Die Bank habe in Großbritannien bereits fast zwei Milliarden Pfund für Projekte im sozialen Wohnungsbau bereitgestellt, die von mehr als 70 einheimischen Wohnungsbaugesellschaften durchgeführt worden seien. "Durch die Investitionen im Rahmen dieser Initiative verbessert sich die Lebensqualität der Bürger", sagte Taylor. "Zugleich entstehen Arbeitsplätze, und die Heizkosten für die britischen Haushalte sinken."

Die EIB ist die Bank der Europäischen Union. Sie gehört den Mitgliedstaaten und vertritt deren Interessen. Die Bank vergibt langfristig Kredite für Projekte, die den Zielen der EU entsprechen. Dabei "arbeitet sie eng mit den EU-Organen zusammen, um die Politik der EU umzusetzen". So steht es auf ihrer Internetseite.

Sollte Großbritannien tatsächlich aus der Europäischen Union austreten, stellt sich für die Bank natürlich die Frage, was mit den Anteilen aus London passiert. Und ob die Förderprojekte im Vereinigten Königreich weiter von der EU unterstützt werden sollen. Das alles würde dann ausreichend Stoff für lange Verhandlungen bieten.

© SZ vom 27.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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