Großbritannien:Justiz-Gezerre über dem Atlantik

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Nach fast anderthalb Jahrzehnten darf ein mordverdächtiger Schotte an die USA ausgeliefert werden. Am Ende scheiterten seine Hoffnungen an einem spitzfindigen Argument.

Von WOLFGANG JANISCH, Karlsruhe

Fast anderthalb Jahrzehnte lang hat Phillip Harkins gegen seine Auslieferung aus Großbritannien an die USA gekämpft, nun ist die Sache zu Ende. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Klage des 38-jährigen Schotten verworfen - und zwar, einigermaßen überraschend, als unzulässig. Nun droht ihm die Überstellung an die Justiz von Florida.

Der beispiellose Ritt durch die Gerichtsinstanzen nahm 1999 seinen Anfang, als in Jacksonville, Florida, bei einem versuchten Raubüberfall ein Mann erschossen wurde. Harkins, damals 20, geriet unter Verdacht und wurde wegen Mordes angeklagt; im schlimmsten Fall hätte ihm die Todesstrafe gedroht. Umso merkwürdiger war daher, dass er wieder aus der Haft entlassen wurde. Harkins verschwand, doch nun begann die Jagd. Anfang 2003 hatte das FBI seine Adresse in Großbritannien ausfindig gemacht und einen Haftbefehl erwirkt - doch als die Beamten eintrafen, war Harkins weg. Kurz danach war die Flucht zu Ende, aus Zufall oder Panik: Bei Glasgow rammte Harkins ein Taxi, ein Fahrgast kam ums Leben. Harkins wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt.

Die Hoffnungen von Harkins zerstoben an einem simplen Verfahrensargument

In jener Zeit begannen die Bemühungen seiner oftmals ohne Bezahlung arbeitenden Anwälte, ihn vor der US-Justiz zu bewahren. 2005 sicherte die US-Botschaft verbindlich zu, dass keine Todesstrafe beantragt würde, 2006 verfügte die britische Regierung seine Auslieferung. Die Chancen standen schlecht, doch die Anwälte stützten sich auf ein neues Argument: Jedenfalls erwarte ihren Mandanten doch lebenslange Haft ohne jede Chance auf Entlassung. Das sei eine "unmenschliche oder erniedrigende Behandlung" im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention. Das war damals ein kühnes Argument. Zwar gilt etwa in Deutschland seit 1977, dass lebenslange Haft nur zulässig ist, wenn eine Entlassung zumindest möglich ist. In der Rechtsprechung der Menschenrechtskonvention dagegen gab es diese Einschränkung nicht. Der Gerichtshof in Straßburg wies die Beschwerde 2012 ab. Die Zeichen standen auf Auslieferung.

Die Behörden freilich zögerten noch, und anderthalb Jahre später keimte neue Hoffnung für Harkins. In einem britischen Fall erklärte der Gerichtshof lebenslange Haft für menschenrechtswidrig, wenn sie keinerlei Perspektive auf Freilassung biete; das war exakt das Argument von Harkins' Anwälten. 2014 bekräftigten die Europa-Richter diesen Standpunkt in einem Auslieferungsfall. Harkins bekam ein neues Verfahren, im Januar wurde verhandelt.

Am Ende zerstoben seine Hoffnungen an einem Verfahrensargument: Harkins könne nicht ein zweites Mal wegen derselben Sache vor das Menschenrechtsgericht ziehen. Die "Fakten" seien nun mal dieselben wie im ersten Durchgang, geändert habe sich allein die Rechtsprechung. Aus Gründen der "Rechtssicherheit" müsse das erste Urteil von 2012 abschließend sein, argumentierte das Gericht. Würde man Klägern erlauben, auf der Grundlage späterer Urteile dieselbe Klage noch einmal einzureichen, dann schade dies der "Glaubwürdigkeit und Autorität" der früheren Urteile.

© SZ vom 11.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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