Großbritannien:Im Alleingang riskant

Theresa May steht vor neuen Herausforderungen: Will sie wegen dem Angriff auf Skripal mit Sanktionen gegen Russland reagieren, braucht sie dafür internationale Unterstützung. Am Ende könnten die Briten aber ziemlich allein dastehen - was auch am Brexit liegt.

Von Cathrin Kahlweit

Die innenpolitsche Krise in Großbritannien, die der Mordversuch an dem früheren Doppelagenten Sergej Skripal und dessen Tochter Yulia in Salisbury ausgelöst hat, ist spätestens seit Montagabend zur internationalen Krise geworden. Zuvor war die britische Regierung von Opposition, Experten und Medien entweder dafür geprügelt worden, dass sie die Bevölkerung von Salisbury nicht ausreichend informiere und vor Schuldzuweisungen zurückschrecke; oder umgekehrt dafür, dass sie ohne Belege Moskau verdächtige und damit die schlechten Beziehungen weiter belaste.

Nun aber hat Premierministerin Theresa May mit ihrer Rede im Parlament sehr deutlich gemacht, dass der Angriff auf Skripal zugleich ein Angriff auf die Bevölkerung gewesen sei - und damit ein ungesetzlicher Angriff des russischen Staates auf das Königreich. Der Ton ist gesetzt, das Signal an Moskau klar: Wir lassen uns das nicht gefallen. Und: Egal was wir tun, egal wie wir reagieren - wir erwarten Solidarität und Kooperation in der Nato und in der EU. Denn ein Angriff auf ein Land ist ein Angriff auf alle Partner.

Als wären die Brexit-Verhandlungen nicht schwierig genug, hat London von heute an noch zwei riesige Herausforderungen mehr zu stemmen: May muss dafür sorgen, dass Tories, Opposition und Wirtschaft die drastischen Sanktionen unterstützen, die sie vollmundig angekündigt hat, falls sich der Kreml nicht erklären sollte. Das wird schwer, denn diese Sanktionen sollen vor allem die russische Regierung und Putin-freundliche Oligarchen treffen, während gleichzeitig in London große Sorge herrscht, dass damit auch jene willkommenen Geldquellen verschlossen würden, die durch die Investitionen russischer Millionäre und Konzerne im Königreich sprudeln.

Die Wahl der Waffen ist die nächste Herausforderung in dem als Selbstverteidigung deklarierten Akt, den die Premierministerin angekündigt hat. Denn daran hängt die Frage, wer mit ihr in diesen Kampf zieht. Die Briten wollen die Alliierten der Nato, die Freunde in der EU, womöglich auch die UN ins Boot holen. May betonte mehrmals, wie wichtig eine gemeinsame Reaktion auf die unerträglichen und unaufhörlichen Angriffe Russlands sei. Aber nicht nur von Brexitgegnern im eigenen Land, sondern auch in Brüssel dürfte sie damit einiges Kopfschütteln ernten, pocht sie doch derzeit vor allem mit Verweis auf die Probleme im eigenen Land auf die Sicherheitspartnerschaft, obwohl sie die EU bekanntlich verlassen will.

Scharfe Sanktionen gegen Russland brauchen internationalen Rückhalt

Zudem ist nicht mal sicher, ob eine abgestimmte Reaktion auf den Nervengasangriff, der auf britischem Boden stattfand, überhaupt zustande käme. Die Sanktionspolitik der EU gegen Moskau nach der Annexion der Krim und dem Krieg im Donbass, die lange von den Briten gemeinsam mit Berlin vorangetrieben worden war, erodiert seit Längerem; Freunde Putins wie Viktor Orbán in Ungarn wollen sie aufweichen. Wo die neue italienische Regierung steht, ist völlig unklar. Der US-Präsident hält sich mit Attacken gegen den russischen Kollegen zurück. Und die UN lassen sich von Putin in Syrien jeden Tag aufs Neue vorführen.

Am Ende könnte die britische Regierung also ziemlich allein dastehen. Dann könnte die Krise auf sie zurückfallen - weil sie scharfe Sanktionen ohne internationalen Rückhalt zwar erlassen, aber nicht lange durchhalten kann.

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