Großbritannien:Für Mays Kabinetts-Chef wird es eng

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Nach neuen Vorwürfen gegen Damian Green berät die britische Regierung über Konsequenzen. Auf Greens Computer sollen harte Pornos gefunden worden sein. Der Beschuldigte spricht von einem Racheakt.

Von Cathrin Kahlweit, London

Auf Damian Greens Computer sollen Pornos gefunden worden sein. (Foto: imago)

Die britische Premierministerin gerät zunehmend unter Druck, weil immer mehr Mitglieder ihres Kabinetts ins Gerede kommen. War zuletzt Verteidigungsminister Michael Fallon zurückgetreten, so wackelt nun auch Theresa Mays zweiter Mann, Damian Green, der die Position eines Kanzleramtsministers innehat. Green waren, wie Fallon, sexuelle Übergriffe vorgeworfen worden; er hatte dementiert, wird aber derzeit, wie andere Ministerkollegen auch, von einem internen Gremium überprüft. Nun sind zudem alte Geschichten an die Oberfläche gekommen, die nicht mit persönlichen Übergriffen, aber doch mit Sex zu tun haben: Auf dem Computer von Green sei, ließ ein Londoner Ex-Polizist die Times wissen, während einer Untersuchung 2008 pornografisches Material gefunden worden. Das Material sei nicht strafbar, aber grenzwertig und sehr hart.

Green war Ende der Nullerjahre (damals waren die Tories in der Opposition) ins Visier von Londoner Ermittlern geraten, weil ihm vorgeworfen wurde, geheime Akten und Interna aus der Labour-Regierung weitergegeben zu haben. Die Polizei durchsuchte sein Haus und sein Parlamentsbüro und beschlagnahmte damals auch seinen Büro-Computer; Green wurde kurzfristig unter dem Vorwurf festgenommen, an einer "Verschwörung zur Irreführung der Öffentlichkeit" teilgenommen zu haben. Die Untersuchung wurde später niedergeschlagen; der Kontaktmann aber, der Green offenbar mit Material aus der Regierung versorgt hatte, wurde entlassen. Green wurde schnell rehabilitiert und in der Folge Staatssekretär für Polizeiangelegenheiten, nach Camerons Rücktritt machte ihn May erst zum Arbeitsminister, dann zu ihrem Vize.

Es war in Westminster heftig darüber spekuliert worden, dass Green wohl gehen müsse, weil - wie bei Fallon geschehen - nach ersten, minderen Vorwürfen über peinliche Mails an eine junge Journalistin noch weitere, schwerwiegendere Hinweise auf Fehlverhalten laut werden könnten. Green dementiert die Vorwürfe einer Journalistin über anzügliche Bemerkungen, die diese in der Times veröffentlicht hatte. Die nun öffentlich gewordenen Hinweise, auf seinem PC sei vor zehn Jahren pornografisches Material gefunden worden, wertet Green als Racheakt des betreffenden Polizisten und als "Schmierenkampagne".

So oder so ist die Liste der Namen hochrangiger Politiker, die im Zusammenhang mit Verfehlungen gegen weibliche Angestellte, Journalistinnen und Aktivistinnen genannt werden, zuletzt immer länger geworden - und es darf vermutet werden, dass derzeit über Tipps aus dem Parlament an diverse Medien und über halblaut vorgetragene Hinweise im politischen Raum auch alte Rechnungen mit politischen Wettbewerbern beglichen werden. Die einflussreiche und May-kritische Tory-Abgeordnete Anna Soubry, die als eine der Ersten den Rücktritt des Verteidigungsministers gefordert hatte, forderte nun auch Green auf, sich zurückzuziehen, bis die Vorwürfe geklärt seien. Gleichwohl merkte sie kritisch an, es könne nicht sein, dass immer mehr Rücktritte auf der Basis ungeprüfter medialer Anschuldigungen erzwungen würden. Einerseits brauche es endlich eine Anlaufstelle im Parlament, bei der sich Opfer von sexueller Gewalt melden könnten, andererseits seien "Gerichtsverfahren in den Zeitungen" keine Lösung.

Auch an der Reaktion von Innenministerin Amber Rudd war am Wochenende abzulesen, wie ratlos die Tory-Führung im Angesicht des wachsenden Berges an Vorwürfen ist. Amber Rudd stellte sich zwar am Sonntag in der BBC hinter Damian Green, der als zentrale Figur in der Regierung von Theresa May gilt. Gleichwohl betonte Rudd aber, dass alle Vorwürfe am Montag im Kabinett besprochen und einer Untersuchung zugeführt würden. Die Innenministerin negierte, dass das Kabinett von Theresa May vor dem "Kollaps" stehe, weil zentrale Figuren angeschossen seien. Allerdings sei in Westminister ein "Machtmissbrauch" zu beobachten, dem dringend ein "kultureller Wandel" folgen müsse. Aus dem aktuellen Reinigungsprozess werde die Regierung "gestärkt" hervorgehen.

Bis es so weit ist, dürften aber noch weitere Tory-Politiker ihren Abschied nehmen müssen. Gegen drei wird derzeit ermittelt.

© SZ vom 06.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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