Großbritannien:Extremisten den Glamour nehmen

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Britischer Premier David Cameron will schärfer gegen Islamisten und ihre Ideologie vorgehen.

Von Christian Zaschke, London

In einer einstündigen Rede hat der britische Premierminister David Cameron am Montag umrissen, wie seine Regierung den Extremismus im Land bekämpfen will. Es war die bisher umfassendste Rede des Premiers zum diesem Thema. Die Auseinandersetzung mit dem Extremismus nannte er den "Kampf unserer Generation".

Obwohl Cameron sich ausdrücklich gegen sämtliche Formen von Extremismus wandte, ging es ihm in erster Linie um radikalen Islamismus. Rund 700 Briten haben sich nach Schätzungen von Scotland Yard bisher der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien und im Irak angeschlossen. Etwa 350 sollen mittlerweile wieder zurückgekehrt sein und nun eine latente Bedrohung im Land darstellen.

Cameron hielt die Rede in einer Schule in Birmingham, einer Stadt mit einer besonders großen muslimischen Bevölkerung. In der Vorbereitung seiner Ausführungen hatte er sich mit mehreren muslimischen Gruppen getroffen. Konkret beraten wurde er von der Quilliam Foundation, einem Thinktank, der von Aussteigern aus der islamistischen Szene gegründet wurde.

Cameron sagte: "Der Kern der Bedrohung, der wir uns ausgesetzt sehen, ist die extremistische Ideologie." Er führte aus, dass man verstehen müsse, was islamistischen Extremismus für manche Menschen so attraktiv mache. Im Zentrum der Bemühungen der Regierung soll eine verbesserte Integration stehen. "Trotz unseres Erfolgs als multikulturelle Gesellschaft müssen wir der tragischen Wahrheit ins Auge sehen, dass es Menschen gibt, die in diesem Land geboren und aufgewachsen sind und sich dennoch nicht mit Großbritannien identifizieren", sagte der Premier.

Cameron kündigte die Einsetzung einer Kommission an, die die Integration im Land untersuchen soll. Sie soll von Louise Casey geleitet werden, die sich bisher um das Regierungsprogramm für Familien in Not kümmert. Casey soll zum Beispiel untersuchen, wie sichergestellt werden kann, dass mehr Immigranten Englisch lernen oder mehr Frauen mit Migrationshintergrund am Arbeitsleben teilnehmen. Zudem soll gewährleistet werden, dass gezielter in eine verbesserte Integration investiert wird. "Wir müssen aus unseren Fehlern lernen", sagte Cameron, "in der Vergangenheit wurde Geld oft einfach wahllos an Gruppen verteilt, die sich später als Spalter erwiesen."

Der Premier führte aus, dass es im Land an Selbstbewusstsein mangele, wenn es darum gehe, "britische Werte" zu vertreten und durchzusetzen. Konkret nannte er Zwangsverheiratung und die Verstümmelung weiblicher Genitalien. Allein im vergangenen Jahr habe es in Großbritannien 4000 gemeldete Fälle von Genitalverstümmelung gegeben, die Dunkelziffer liege höher. "Es wird ungemütliche Debatten geben. Wir dürfen nicht länger wegsehen, weil wir kulturelle Empfindlichkeiten nicht verletzen wollen", sagte Cameron.

"Aus Fehlern lernen": Premier David Cameron räumte Versäumnisse der britischen Integrationspolitik ein. (Foto: Paul Ellis/AFP)

Der Premier räumte ein, dass es Terrorgruppen wie dem IS durch Propaganda in sozialen Medien gelinge, auf manche junge Leute aufregend und anziehend zu wirken. Man müsse diesen Gruppen den Glamour nehmen. "Hier ist meine Botschaft an junge Menschen", sagte Cameron: "Ihr werdet nicht ein geschätztes Mitglied einer Bewegung, ihr werdet Kanonenfutter. Wenn du ein Junge bist, werden sie dich einer Gehirnwäsche unterziehen, dir Bomben an den Körper schnallen und dich in die Luft jagen. Wenn du ein Mädchen bist, wirst du versklavt und missbraucht." Besonders in Schulen soll mehr Aufklärungsarbeit über die Realität des Lebens innerhalb der Terrormilizen geleistet werden.

Der Premier stellte zudem weitere Maßnahmen vor, mit denen seine Regierung den Kampf gegen den Extremismus gewinnen will. So soll es Eltern künftig möglich sein, die Pässe ihrer Kinder einziehen zu lassen, wenn sie den Eindruck haben, dass diese radikalisiert worden sind. Ein besonderes Augenmerk soll auf der Radikalisierung in Gefängnissen und in sozialen Medien liegen. In einer breit angelegten Studie soll untersucht werden, wie sich der Extremismus im Land verbreitet. Es sei überdies essenziell, dass die muslimische Gemeinschaft in Großbritannien eine bedeutende Rolle in diesem Kampf spiele. "Wir brauchen die Hilfe der muslimischen Gemeinschaft und von muslimischen Gelehrten, die sagen, dass die Vertreter des IS nicht im Sinne des Islams handeln", sagte Cameron.

Was den Kampf gegen den IS außerhalb Großbritanniens angeht, wird erwartet, dass Cameron das Parlament im Herbst erneut um ein Mandat für Luftschläge in Syrien bittet. 2013 hatte ihm das britische Unterhaus in dieser Frage die Gefolgschaft verweigert, es war eine der größten Niederlagen des Premiers. Auf die Frage, ob es bald eine britische Beteiligung an Luftschlägen gegen den IS in Syrien geben könnte, hatte er am Wochenende gesagt: "Ich will, dass Großbritannien mehr tut.

© SZ vom 21.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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