Großbritannien:Cameron tritt noch mal zurück

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Der Tory-Politiker legt zwei Monate nach seinem Rücktritt als Premier auch sein Abgeordnetenmandat nieder.

Von Christian Zaschke, London

Der frühere britische Premierminister David Cameron hat seinen Sitz im Unterhaus mit sofortiger Wirkung aufgegeben. Das teilte er am Montagnachmittag mit. Cameron sagte, er unterstütze die neue konservative Regierung, doch er sei zu der Ansicht gelangt, dass seine Anwesenheit als Hinterbänkler im Parlament eine ständige Ablenkung bedeute. Daher habe er sich nach reiflicher Überlegung dazu entschieden, sein Mandat als Abgeordneter für Witney in Oxfordshire niederzulegen. Er wolle sich weiterhin politisch engagieren, aber nicht mehr in Westminster.

Cameron ist als Premier nach dem EU-Referendum im Juni zurückgetreten, nachdem sich eine Mehrheit der Briten für den Austritt aus der Union entschieden hatte. Als Regierungschef hatte er für den Verbleib geworben, weshalb das Votum auch als persönliche Niederlage für Cameron gewertet wurde. Vor der Abstimmung hatte er angekündigt, im Amt bleiben zu wollen, auch wenn es eine Mehrheit für den Brexit gebe. Dann trat er allerdings am Morgen nach der Abstimmung zurück. Er sagte zudem zu, dass er definitiv bis zum Ende der Legislaturperiode als Abgeordneter im Parlament bleiben wolle. Auch diesen Entschluss hat er nun revidiert.

Camerons Rücktritt bedeutet, dass in dem Wahlkreis eine Nachwahl stattfinden wird. Wer auch immer antrete, werde seine volle Unterstützung erfahren, sagte der ehemalige Premier. Er selbst wolle mit seiner Familie in der Gegend wohnen bleiben und nun damit beginnen, "ein Leben außerhalb Westminsters" aufzubauen.

Aus den Wirren infolge des Referendums ging Theresa May als neue Premierministerin hervor. Sie hatte zuvor sechs Jahre lang als Innenministerin in Camerons Kabinett gearbeitet. Die beiden waren nicht in allen Punkten einer Meinung, hatten jedoch eine funktionierende Arbeitsbeziehung. Cameron schätzte an May ihren kühlen, pragmatischen Stil. Sie habe einen exzellenten Start als Premierministerin hingelegt, sagte er.

Das Timing von Camerons Rücktritt ist jedoch insoweit interessant, als May just dabei ist, die Wiedereinführung von Grammar Schools voranzutreiben. Diese wurden ab Mitte der Sechzigerjahre größtenteils abgeschafft, um für mehr Chancengleichheit zu sorgen. Es handelt sich um kostenlose weiterführende Schulen, die über die Aufnahme von Schülern mittels eines Leistungstests entscheiden. Ab Mitte der Sechzigerjahre beschloss die Regierung, ein flächendeckendes Gesamtschulsystem einzuführen, um den Kindern zu ersparen, im Alter von elf Jahren in schlaue und nicht ganz so schlaue Schüler getrennt zu werden. Cameron war stets gegen die Wiedereinführung. May ist das Thema hingegen ein Herzensanliegen. Ein Konflikt zwischen den beiden Politikern wäre programmiert gewesen. Gut möglich, dass Cameron diesem Konflikt als Hinterbänkler aus dem Weg gehen wollte.

Seit 2001 saß Cameron im Unterhaus. 2010 war er Premierminister geworden und führte die erste Koalitionsregierung der britischen Nachkriegsgeschichte an. Im vorigen Jahr errang er überraschend eine absolute Mehrheit für die konservative Partei.

© SZ vom 13.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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