Großbritannien:Bleiben oder gehen

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"Glaube an Großbritannien, sag nein!": Nigel Farage, Chef der UK Independence Party (UKIP), vor einem Kampagnen-Entwurf der Austrittsbefürworter. (Foto: Justin Tallis/AFP)

Soll Großbritannien in der EU bleiben? Ein einfaches Ja oder Nein scheint es auf diese Frage als Antwort nicht zu geben. Auch nicht beim geplanten Referendum über die Mitgliedschaft.

Von Christian Zaschke, London

Mit dem Ende der politischen Sommerpause in Großbritannien ist auch das beherrschende Thema von David Camerons zweiter Legislaturperiode zurück auf der Agenda: Am Dienstag akzeptierte der Premierminister einen Vorschlag der Wahlkommission, die Frage zum bis spätestens Ende 2017 geplanten Referendums über die EU-Mitgliedschaft neu zu formulieren. Bisher sollte auf den Wahlzetteln stehen: "Soll das Vereinigte Königreich Mitglied der EU bleiben?" Die Wahlkommission gelangte zu der Ansicht, dass diese Formulierung Wähler dazu bewegen könnte, mit Ja und damit für den Status quo zu stimmen. Die neue Frage lautet: "Soll das Vereinigte Königreich Mitglied der EU bleiben oder soll es die EU verlassen?"

Das bedeutet, dass anders als beim Referendum über die schottische Unabhängigkeit vor einem Jahr die möglichen Antworten auf dem Wahlzettel nicht einfach "Ja" und "Nein" lauten. Es bedeutet auch, dass Befürworter und Gegner der Mitgliedschaft sich nicht in eine Ja- und eine Nein-Kampagne mit entsprechenden Slogans aufteilen werden. Die Frage, wie die entsprechenden Gruppen sich nun nennen werden, war am Dienstag in Westminster Gegenstand von belustigter Spekulation.

Nigel Farage, Chef der europaskeptischen UK Independence Party (Ukip), zeigte sich angetan von der neuen Formulierung. Seine Partei hatte seit Längerem dafür geworben, dass die Frage geändert werde. Zudem kündigte er an, dass die Ukip eine eigene Kampagne auf die Beine stellen werde, die für einen Austritt wirbt. Davon gibt es bereits zwei. Eine besteht überwiegend aus europaskeptischen konservativen Parlamentariern und einigen Labour-Abgeordneten, die andere ist ein Zusammenschluss von Geschäftsleuten und nennt sich "The Know".

Es gibt nun drei Gruppen die für einen Austritt werben wollen

Dass es nun drei Gruppen gibt, die für einen Austritt werben wollen, führt bei EU-Gegnern zu der Sorge, dass ihr Lager zersplittert. Die Wahlkommission wird lediglich eine Gruppe als offizielle Nein-Kampagne anerkennen. Dies hat den Vorteil, dass sie finanzielle Unterstützung beantragen kann und das Recht erhält, TV-Spots bei den wichtigsten Fernsehsendern zu platzieren. Gleiches gilt für die offizielle Ja-Kampagne der Befürworter der EU-Mitgliedschaft.

Farage wurde lange als Anführer der offiziellen Gruppe der Gegner gehandelt. Allerdings gab es selbst in seiner Partei Stimmen, die warnten, Farage polarisiere zu sehr. Am Dienstag sagte der Ukip-Chef, er habe an der Führungsrolle kein Interesse. Er hoffe, dass die anderen beiden Gruppen sich vereinen und dann vielleicht von einer Person geleitet würden, die nicht aus der Politik komme. "Wir als Ukip werden eine wichtige Rolle spielen, weil wir 50 000 Mitglieder haben und Hunderte Zweigstellen im ganzen Land und die Basisarbeit machen können", sagte Farage.

Dass der Ukip eine entscheidende Bedeutung bei der Abstimmung zukommt, gilt als sicher. Bei den Europawahlen im Frühjahr 2014 wurde die Partei mit 27,5 Prozent der Stimmen stärkste Kraft und schickte 22 Abgeordnete nach Brüssel. Bei der britischen Parlamentswahl im Frühjahr dieses Jahres sammelte sie immerhin 13 Prozent der Stimmen, was jedoch wegen des Mehrheitswahlrechts zu lediglich einem Sitz in Westminster reichte, den der frühere Konservative Douglas Carswell gewann. Farage hatte vor der Wahl gesagt, er werde als Parteichef zurücktreten, falls er nicht ins Parlament einziehe, es sich nach der Wahl allerdings anders überlegt.

Premierminister Cameron hatte Anfang 2013 angekündigt, er werde ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft abhalten, sollte er 2015 wiedergewählt werden. Da die Konservative Partei im Mai die absolute Mehrheit der Sitze errang, ist sicher, dass das Referendum stattfinden wird. Cameron will die Bedingungen der britischen EU-Mitgliedschaft neu verhandeln und bis spätestens Ende 2017 abstimmen lassen. Als sehr wahrscheinlich gilt, dass die Wahl bereits 2016 stattfindet.

Um erneut für seine EU-Reformpläne zu werben, reist Cameron in dieser Woche nach Spanien und Portugal. Den Europaskeptikern unter den Tories gehen Camerons Forderungen nicht weit genug, zumal der Premier nun verkündet hat, nicht länger darauf zu beharren, dass Großbritannien von den EU-Rechtsvorschriften über Beschäftigung und sozialen Schutz ausgenommen wird. Cameron ist auch deshalb so moderat, weil er unbedingt in der EU bleiben will. Es wird erwartet, dass sich ein Drittel seiner Fraktion in dieser Frage gegen ihn stellt.

© SZ vom 02.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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